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Betreute Menschen können jetzt wählen gehen
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Wahlrechtsreform: Betreute Menschen können jetzt wählen gehen

Durch § 13 Bundeswahlgesetz (kurz: BWahlG) wird festgelegt, welche Personengruppen vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Hierzu zählten in der Vergangenheit auch die Personen, die auf eine Betreuung angewiesen sind. Nach der Bundestagswahl 2013 kam es zu Beschwerden, die in der Vorschrift einen Verstoß gegen Artikel 3 des Grundgesetzes sahen, nach dem niemand aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden darf.

Wahlrecht für betreute Menschen: Wahlausschluss ist verfassungswidrig

Das aktive Wahlrecht in Deutschland ergibt sich aus Artikel 38 des Grundgesetzes (kurz: GG): Demnach ist wahlberechtigt, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat. Eine Einschränkung von diesem Grundsatz ist durch § 13 BWahlG festgelegt: Demnach sind Personen, die auf eine Betreuung angewiesen sind, von Wahlen ausgeschlossen. Laut Statistik betrifft diese Regelung bundesweit immerhin über 80.000 Menschen – in der Vergangenheit hatten schon mehrfach Behindertenorganisationen die Rechtmäßigkeit des Wahlausschlusses in Frage gestellt.

Auch nach der Bundestagswahl 2013 kam es zu entsprechenden Beschwerden. Insgesamt acht Betroffene machten eine Verletzung ihrer Grundrechte vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe geltend. Der zweite Senat der Verfassungsrichter gab den Beschwerdeführern in einem aktuellen Urteil jetzt Recht: Der Wahlrechtsausschluss stellt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichtes einen Verstoß gegen Artikel 3 GG dar, der eine Benachteiligung aufgrund von Behinderung verbietet.

Urteil zum Wahlrecht ebnet den Weg für inklusive Wahlen

Die Tatsache, dass zukünftig auch betreute Personen nicht mehr von Wahlen ausgeschlossen werden dürfen, sorgt nun in den Bundesländern dafür, dass inklusive Wahlen durch die entsprechenden Gesetzesreformen gewährleistet werden. Niedersachsen hat im Anschluss an das oben erwähnte Urteil vom 29. Januar 2019 als erstes Bundesland deine Gesetzesreform im Landtag in Hannover beschlossen. Es stellt sicher, dass nun auch Menschen mit gerichtlich bestellter Betreuung bei Landtags- und Kommunalwahlen den Gang zur Urne gehen können. Eine Ausnahme gilt nur dann, der Wahlrechtsentzug durch einen Gerichtsbeschluss erfolgte.

In den anderen Bundesländern müssen die jeweiligen Gesetzesänderungen noch auf den Weg gebracht werden. Immerhin stehen schon am 26. Mai 2019 die nächsten Wahlen auf dem Programm: Dann wird in den EU-Mitgliedsstaaten per Europawahl über die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments bestimmt.

Wahlrecht für betreute Personen war bisher uneinheitlich

Bis zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts war das Wahlrecht für betreute Personen bundesweit nicht einheitlich geregelt. Während die Teilnahme an Landtagswahlen in einigen Bundesländern durchaus möglich war, war die Teilnahme an der Bundestagswahl grundsätzlich ausgeschlossen. Die Tatsache, dass eine Partizipation an Wahlen somit direkt vom Wohnort abhängig ist, hatte in der Vergangenheit schon Behindertenvertreter zu entsprechender Kritik veranlasst. Die Paragrafen zum Wahlausschluss sollen nun aus dem Gesetz gestrichen werden.

Die Entscheidung stellt hohe Anforderungen an zukünftige Wahlen und deren Organisation: Um eine umfassende Teilnahme an Wahlen gewährleisten zu können, sind Assistenzsysteme notwendig – diese sollen auch dazu dienen, Manipulationen zu verhindern. Nur so lässt sich ein inklusives Wahlrecht umsetzen, das die bisher ausgeschlossenen Personen mit einbezieht und die Grundrechte der betreuten Menschen berücksichtigt.

Die analoge Vorschrift des § 6a Abs. (1) Nr. 2 zum Wahlausschluss soll nach dem Willen des zweiten Senats bereits bei der Europawahl nicht mehr zur Anwendung kommen. Ebenfalls nicht zur Anwendung soll der Wahlausschluss von Straftätern kommen, die aufgrund ihrer Schuldunfähigkeit in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht sind. Um an der Europawahl im Mai teilzunehmen, bedarf es dennoch eines Antrags auf „Eintragung in das Wählerverzeichnis“ in der zuständigen Kommune. Diese sind bereits erstellt und müssen nun unter hohem Zeitdruck geändert werden. Gegner machen hier geltend, dass eine Änderung unter Umständen mit einer hohen Arbeitsbelastung in den Gemeinden verbunden sein könnte – dies liegt auch an der ungleichen Verteilung der Betroffenen.

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