Das Skigebiet rund um das in Tirol gelegene Ischgl hat sich als Corona-Hotspot herausgestellt. Den Behörden wird nun vorgeworfen, wissentlich zu spät reagiert und aus wirtschaftlichen Interessen den Ski- und Tourismusbetrieb zu spät eingestellt zu haben. Nun droht Tirol eine Sammelklage. Bereits über 4500 Tirol-Skiurlauber, davon über 2000 aus Deutschland, haben sich auf die Initiative des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV) gemeldet.
Die Tiroler Alpen waren Anfang März von Touristen aus ganz Europa gut besucht: Deutsche, Briten, Schweden, Isländer, Norweger, Franzosen, Italiener und viele weitere Nationen waren in Scharen in das beliebte Skigebiet geströmt, um Urlaub zu machen und ausgiebige Après-Ski-Partys zu feiern.
Journalistenrecherchen zufolge hat sich eine Vielzahl von Tirol-Skiurlaubern während ihres Aufenthalts in der Region mit dem Coronavirus infiziert. Im Besonderen sind Urlaubsrückkehrer aus dem Paznauntal, Sölden, dem Zillertal, Ischgl und St. Anton am Arlberg betroffen.
Den Behörden wird nun vorgeworfen, erst viel zu spät auf die Ausbreitung der Corona-Pandemie reagiert zu haben. Corona-Infektionen wie die eines italienischen Mitarbeiters im Innsbrucker Grand Hotel und die eines Barkeepers im Après-Ski-Lokal Kitzloch in Ischgl wurden als Einzelfall hingestellt und die Gefahren des Virus heruntergespielt. Zudem seien besorgte Touristen laut Jurist Dr. Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein im Vorfeld ihrer Reise mit falschen Angaben beruhigt und so gezielt in das Skigebiet gelockt worden.
Aufgrund dessen erhebt der Verbraucherschutzverein schwere Vorwürfe gegen die österreichischen Behörden: Unter anderem prangert er an, die Tiroler Skigebiete, Hotels und Gaststätten seien aus wirtschaftlichen Interessen wider besseren Wissens viel zu spät geschlossen und eine Ausbreitung des Coronavirus billigend in Kauf genommen worden. Am 24. März hat der VSV deshalb eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingereicht. Der Vorwurf lautet: fahrlässige und vorsätzliche Gemeingefährdung, vorsätzliche oder fahrlässige Verbreitung meldepflichtiger Krankheiten sowie Amtsmissbrauch.
Der vom VSV angestrebten Sammelklage gegen Tirol könnten sich bei der Aufnahme von Ermittlungen gegen die österreichischen Behörden und Unternehmen auch viele deutsche Tirol-Skiurlauber anschließen. Über 2000 betroffene Deutsche haben sich bereits beim VSV registriert; weitere Betroffene, die sich ab dem 5. März in der besagten Region aufgehalten und mit dem Coronavirus infiziert haben, werden gesucht.
Währenddessen werden die vom VSV erhobenen Vorwürfe von der Staatsanwaltschaft Innsbruck eingehend geprüft. Die Polizei wurde von der Innsbrucker Staatsanwaltschaft damit beauftragt, einen Bericht über die Ereignisse in Ischgl und Sölden anzufertigen. Damit soll aufgeklärt werden, wer wann was wusste und mit wem kommunizierte. Aufgrund der aktuellen Beschränkungen stellt sich dies allerdings schwierig dar. Nach bisherigem Stand kann die Staatsanwaltschaft noch keinen konkreten Verdacht von Straftaten erkennen.
Sollte den Behörden und Unternehmen tatsächlich fahrlässiges Handeln nachgewiesen werden können, droht Tirol eine Sammelklage, von der auch private Skiliftbetreiber, Après-Ski-Bars und Hotels betroffen sind. Geschädigte Tirol-Skiurlauber haben im Falle einer Klage gute Chancen auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld.
Betroffene haben auf der Seite des Verbraucherschutzvereins die Möglichkeit, ihren Fall genau darzustellen und sich kostenlos zu registrieren.
Folgende Informationen müssen Sie bei der Registrierung angeben:
Jeder, der sich dort registriert, wird automatisch über den weiteren Verlauf der Corona-Sammelklage informiert. Dies dient erstmal dazu, Informationen über die gesamte Situation zu sammeln. Sollt es dazu kommen, übernimmt der VSV für seine Mitglieder den Anschluss an ein Ermittlungsverfahren. Die Mitgliedschaft im VSV kostet 30 Euro im Jahr. Für die zivilrechtlichen Sammelklagen wird noch ein Prozessfinanzierer gesucht, der das Prozessrisiko für Verbraucher abfedern soll.
Grundsätzlich haben Betroffene zwei Möglichkeiten, um ihre Interessen durchzusetzen: Zum einen können sie sich als Privatbeteiligte der Sammelklage gegen Tirol anschließen, wenn es zum Strafverfahren kommen sollte. Zum anderen ist eine zivilrechtliche Klage möglich. Hauptvorteile der Sammelklage sind die gehemmte Verjährung und die Kostenfreiheit für die Betroffenen.
Die Staatsanwaltschaft hat die strafrechtlichen Ermittlungen indessen eingestellt. Als Begründung gab sie mangelnde Beweise an. Es könne nicht nachgewiesen werden, "dass jemand schuldhaft etwas getan oder unterlassen hätte, das zu einer Erhöhung der Ansteckungsgefahr geführt hätte". Kritik kam vom Verbraucherschutzverein, der die Vertuschung eines Behördenskandals vermutet und auch weiterhin für eine Aufdeckung sorgen will.
Update 24.11.2021
Die Staatsanwaltschaft stellt die Ermittlungen ein. Es wurden keine Beweise gefunden, dass jemand schuldhaft die Ansteckungsgefahr erhöht hat.
Welche Option für die Betroffenen besser ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Aus diesem Grund sollten alle Betroffenen eine juristische Beratung in Anspruch nehmen. Die erfahrenen Partner-Anwälte von KLUGO helfen Ihnen im Rahmen einer Erstberatung kompetent und unkompliziert weiter. So erhalten Sie zuverlässig und schnell einen Überblick über Ihre Möglichkeiten im Hinblick auf eine Sammelklage gegen Tirol. Sprechen Sie uns bei Bedarf gern an!
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