Ein langjähriger Streit zwischen deutschen Gerichten, Rechtsexperten, dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und dem Bundesgerichtshof (BGH) geht nun mit einem neuen Urteil des EuGH zum Widerruf von Kreditverträgen in die entscheidende Runde. Für Verbraucher ist das Urteil durchweg positiv, jedoch sollten sie die nächsten Schritte gut bedenken.
In dem Urteil des EuGH zum Widerruf von Kreditverträgen gipfelte nun ein jahrelanger Streit zwischen deutschen Gerichten, dem BGH und dem EuGH. Bereits 2008 wurde die sogenannte europarechtliche Verbraucherkreditrichtlinie eingeführt, die in Deutschland schließlich im EGBGB umgesetzt wurde. Hier wird geregelt, welche Pflichtangaben in einem Darlehensvertrag enthalten sein müssen. Nur wenn diese Angaben vollständig sind, sind sie rechtssicher und die zweiwöchige Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 BGB beginnt bei Vertragsabschluss zu laufen.
Nun gibt es seit Einführung des EGBGB Auseinandersetzungen darüber, ob die Pflichtangaben in deutschen Standardverträgen ausreichend sind. Der BGH bestätigte bisher, dass die Pflichtangaben ausreichend sind, wenn eine vom Gesetzgeber vorgegebene Musterbelehrung unverändert übernommen wurde.
Bereits 2020 urteilte der EuGH (26. März 2020, Az. C-66/19), dass die sogenannte Kaskadenverweisung in Verbraucherkrediten nicht zulässig ist. Wird in der Widerrufsbelehrung in einem Vertrag auf ein Gesetz verwiesen und in diesem wiederum auf ein anderes, handelt es sich um eine solche Kaskadenverweisung. Die Kritik besteht darin, dass solche Verweise für durchschnittlich kundige Bürgerinnen und Bürger nicht verständlich sind und wichtige Informationen zum Widerrufsrecht nicht zugänglich.
Der BGH stellte bereits damals fest, dass er sich nicht an die Vorgaben des EuGH halten wird. Nun nimmt der Rechtsstreit mit der Vorlage des Landgerichts (LG) Ravensburg neue Fahrt auf. Er legte dem EuGH anhängige Verfahren vor, um zu erfragen, wie konkret einzelne Pflichtangaben in Verbraucherdarlehensverträgen auszulegen sind. Dabei ging es um Autokredite der VW Bank, der Skoda Bank und der BMW Bank.
Am 9. September bekräftigte der EuGH mit seinem Urteil zum Widerruf von Kreditverträgen (Az. C-33/20, C-155/20 und C-187/20) seine Sicht der Dinge. Laut dem Gerichtshof sind in den vorgelegten Krediten die Pflichtangaben zum Verzugszinssatz fehlerhaft und die Art des Darlehens nicht genau genug definiert. Zudem seien die Berechnungen zur Vorfälligkeitsentschädigung so unklar formuliert, dass Kreditnehmer nicht ausreichend informiert sind.
Die Folge dieses Urteils ist zunächst, dass die Widerrufsfrist der betroffenen Verträge nie zu laufen begonnen hat. Da aber ein Großteil der in Deutschland geschlossenen Darlehensverträge die Musterbelehrung enthält, können nun sehr viele Verbraucher ihre Kreditverträge widerrufen.
Von dem EuGH-Urteil zum Widerruf sind private Darlehensverträge betroffen, die nach dem 11.6.2010 abgeschlossen wurden. Davon sind Immobilienkredite ausgenommen. Ob ein Widerruf ratsam ist, entscheidet der Einzelfall. Interessant kann es sein, sich über den Widerruf aus einem Kreditvertrag zu lösen, um einen neuen Kredit mit weniger hohen Zinsen aufzunehmen.
Aber hier gilt es sich anwaltlichen Rat einzuholen, denn ein solches Widerrufsmotiv kann als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Theoretisch sinnvoll wäre auch der Widerruf eines Autokredits, der an den Kauf des Fahrzeuges gebunden ist, das vom Diesel-Skandal betroffen ist. Wer mit dem aktuellen EuGH-Urteil eine günstige Situation nutzen möchte, sollte sich vorab beraten lassen.
Um überhaupt einen Widerruf in Betracht zu ziehen, müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein:
Ob ein Widerruf empfehlenswert ist, muss vorab genau geprüft werden. Zudem ist aktuell nicht klar, wie der BGH auf das EuGH-Urteil zum Widerruf von Darlehensverträgen reagiert. Es ist nicht damit zu rechnen, dass er den Vorgaben uneingeschränkt folgt, was die Erfolgschancen eines Widerrufs schmälert.
Zudem sollten die Folgen eines Widerrufs genau abgewogen werden:
Wenn Sie auf der Basis des EuGH-Urteils einen Darlehensvertrag widerrufen möchten, sollten Sie sich voran anwaltlich beraten zu lassen. Vereinbaren Sie dazu gern ein unverbindliches Gespräch mit einem KLUGO Partner-Anwalt für Bankrecht, der Ihnen erste Informationen zu Ihrem weiteren Vorgehen gibt.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
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