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Treuhänder-Urteil
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Rückforderung von Beitragserhöhungen PKV

Versicherte können von Treuhänder-Urteil profitieren: Eine Nachlässigkeit im Detail könnte die deutschen Krankenversicherer dazu zwingen, viele Millionen Euro an unrechtmäßig angehobenen Kassen-Beiträgen an die Privat-Versicherten zurückzahlen zu müssen. Nachdem das Landgericht Potsdam in zweiter Instanz die Berufung der AXA Krankenversicherung AG zurückgewiesen hatte (Az.: 6 S 80/16), scheiterte nun auch die DKV damit, ihre Prämienerhöhungen für die Jahre 2015 bis 2017 durchzusetzen. Diesmal war das Landgericht Frankfurt (Oder) der Auffassung, dass der Treuhänder, der die Beitragserhöhung genehmigte, nicht unabhängig und dessen Entscheidung folglich anzuzweifeln sei (Az.: 14 O 203/16).

Die Sache ist damit noch nicht entschieden. Die DKV kündigte an, in Berufung zu gehen. Und zumindest der AXA-Fall wird in absehbarer Zeit sogar vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen – und schätzungsweise alle acht Millionen Privatversicherte, auch von anderen Anbietern, dürften dann mit großem Interesse zuhören, was die Karlsruher Richter letztinstanzlich verkünden werden.

Beitragserhöhung PKV: Fatale Folgen für die Branche

In Branchenkreisen wird mit möglicherweise fatalen Folgen für die gesamte private Krankenversicherungswirtschaft gerechnet. Denn es geht in letzter Konsequenz nicht nur – wie jetzt bei der DKV – um zu hohe Prämien für drei Jahre, deren Differenz den Kunden zurückzuzahlen ist. Die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Pilz Wesser & Partner, die bei den Verfahren federführend war, vertritt gegenüber dem Fachblatt „Versicherungswirtschaft heute“ die Auffassung, dass die Kunden sogar die zu viel gezahlten Prämien der vergangenen zehn Jahre zurückfordern können und nur die ursprüngliche, niedrigere Prämie schulden. Zudem müssten betroffene Versicherer der PKV die erwirtschafteten Nutzungen herausgeben, was sich im Einzelfall zu Beträgen von 10.000 Euro und mehr summieren könne.

Auch andere Versicherungen hat die Kanzlei offenbar schon im Visier, aktuell reiche man Klagen gegen die Allianz Krankenversicherungs-AG und die Signal Iduna Krankenversicherung ein. Weitere Klagen gegen andere Versicherer seien in Vorbereitung, heißt es.

Fehlende Unabhängigkeit der Treuhänder

Der juristische Streit, der sich zu einem Flächenbrand entwickeln könnte, ist über den so genannten Treuhänder entbrannt. Er muss die Kalkulation der Krankenversicherung absegnen und entscheidet letztendlich, ob eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge notwendig ist oder nicht. Dies führt zu einem fast alljährlichen Ärgernis für viele Kunden – denn die nächste Beitragsanhebung ist in der Praxis so sicher wie das Amen in der Kirche.

Im DKV-Verfahren stellte das Landgericht Frankfurt (Oder) fest, dass der Gutachter über mehrere Jahre mehr als 150.000 Euro von der Versicherung als Vergütung erhalten hatte; zudem nahm er weitere gut dotierte DVK-Großaufträge an. Von Unabhängigkeit könne folglich keine Rede sein, sagten die Richter.

Beitragsrückerstattung PKV: Beispiel AXA-Fall

Im Fall der AXA kamen sowohl die erste Instanz (das Amtsgericht Potsdam, Az: 29 C 122/16) als auch das danach damit befasste Landgericht Potsdam ebenfalls zu der Meinung, dass der beauftragte Treuhänder ebenfalls nicht unabhängig von dem Versicherer gewesen sei. Genau das ist aber gesetzliche Vorgabe, um die Beitragsanpassungen als korrekt bestätigen zu können. Beide Gerichte argumentierten, ein Treuhänder sei nur dann, ähnlich einem Wirtschaftsprüfer, als unabhängig anzusehen, wenn er durch den Auftraggeber nicht mehr als 30 Prozent seines Gesamtumsatzes erzielt. Beide Treuhänder, um die vor Gericht gestritten wurde, arbeiteten jedoch seit Jahren hauptsächlich für diese Versicherungen. Neutralität? Zweifelhaft, meinten beide Gerichte.

Der Kläger erhält in dem AXA-Fall nach derzeitigem Stand alle Beitragserhöhungen für die Jahre 2012 und 2013 inklusive Zinsen vom Versicherer zurück – für ihn bedeutet das einen vierstelligen Betrag. Für die AXA kann das somit bei rund 800.000 Versicherten sehr teuer werden. Die Versicherung verweist jedoch darauf, dass ihre Rechtsposition durch die Aufsichtsbehörde Bafin gedeckt wird.

Die BaFin wies im Juli 2017 in einer Stellungnahme den Generalverdacht zurück, ein Treuhänder sei möglicherweise schon dann voreingenommen, wenn er einen Großteil seiner Einkünfte von dem Versicherungsunternehmen bezieht, in dessen Auftrag er mögliche Beitragserhöhungen prüft. Diese Vermutung sei aus aufsichtsrechtlicher Sicht, so die Bafin, „nicht gerechtfertigt“. Man werde daher an der bisherigen Aufsichtspraxis festhalten. Auch an diesem Plan könnte der Bundesgerichtshof in absehbarer Zeit durch sein Urteil erheblichen Veränderungsbedarf herbeiführen.

Telefonische Erstberatung zum Umgang mit Beitragserhöhungen

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