Nach einem zehnjährigen Streit zwischen gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenkassen (PKV) wurde nun entschieden: Gesetzliche Krankenkassen dürfen Wahltarife mit Extraleistungen wie einen besonderen Auslandskrankenschutz oder häusliche Pflege nicht anbieten. Das bleibt nun wieder den privaten Krankenkasse vorbehalten.
Das Bundesozialgericht entschied am 31. Juli 2019, dass „gesetzliche Krankenkassen das Bewerben und Anbieten von in ihrer Satzung geregelten Wahltarifen für Gestaltungsleistungen wie besonderen Auslandskrankenschutz unterlassen, soweit sie dadurch ohne gesetzliche Ermächtigung ihren Tätigkeitskreis erweitern“ (Az.: B 1 KR 34/18 R).
Dem Urteil war ein jahrelanger Streit zwischen der privaten Continentale Krankenversicherung, und der gesetzlichen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Rheinland/Hamburg vorangegangen. Ausschlaggebend für die Auseinandersetzung war die Einführung des „Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung" im Jahr 2007. Demnach können gesetzliche Krankenkassen einen Wahltarif zur Kostenerstattung anbieten, die GKV kann laut § 53 Abs. 4 Sozialgesetzbuch (SGB) V die „Höhe der Kostenerstattung variieren und hierfür spezielle Prämienzahlungen durch die Versicherten vorsehen“.
So können GKV-Versicherte sich Kosten für in Anspruch genommene Leistungen erstatten lassen, wenn diese höher sind als im gesetzlichen Grundmodell vorgesehen. Das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz sollte den Wettbewerb zwischen verschiedenen Leistungsanbietern und den Krankenkassen fordern, das Ergebnis war aber ein ganz anderes.
Insbesondere die AOK Rheinland/Hamburg legte das Gesetz etwas weiter aus und bot ihren Versicherten nach dem Inkrafttreten verschiedene Wahltarife für Zusatzleistungen wie beispielweise Zahngesundheit und häusliche Pflege an.
Die Continentale Krankenversicherung ging gegen diese Erweiterung des Leistungsspektrums gerichtlich vor. Sie sehen in dem Wahltarif der gesetzlichen Krankenkassen einen unzulässigen Wettbewerb, der sie in ihrer Berufsfreiheit einschränkt. Das Angebot von Zusatzkrankenversicherungen ist schließlich ein Leistungsschwerpunkt der PKV. Ihr wurde bereits in der Vorinstanz vom Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) Recht gegeben, das BGS bestätigte das Urteil noch einmal. Demnach berechtigt die gesetzliche Ermächtigung zum Wahltarif Kostenerstattung die Krankenkassen „nicht zu einer Ausdehnung des Leistungskatalogs zum Beispiel um zusätzliche Auslandsleistungen, sondern lediglich zu einem Wahltarif mit einer höheren Kostenerstattung als nach dem gesetzlichen Grundmodell gewillkürter Kostenerstattung“.
Es sieht damit als erwiesen an, dass der GKV-Wahltarif keine Kostenerstattung für Zusatzleistungen beinhalten darf, weil diese Leistungen eben nicht im allgemeinen Leistungskatalog der GKV zu finden sind. Leistungserweiterungen müssen demnach immer für alle Versicherten einer Krankenkasse gelten, weshalb sie nicht in einem zusätzlichen GKV-Wahltarif angeboten werden können.
Alle Krankenkassen, die Wahltarife mit Zusatzleistungen bereits vereinbart haben, sind nun im Dilemma. Einerseits haben sich die GKV gegenüber den betroffenen Versicherten dazu verpflichtet, die entsprechenden Zusatzleistungen zu gewähren. Andererseits sind mit dem aktuellen Urteil alle Verträge zu Wahltarifen mit Zusatzleistungen ungültig. Allein bei der AOK Rheinland/Hamburg sollen mehrere Hunderttausend Versicherte betroffen sein.
Versicherte könnten nun womöglich die Krankenkasse auf Schadensersatz verklagen, wenn sie zu dem Preis des jeweiligen GKV-Wahltarifs keinen Versicherungsschutz finden, der zu gleichen Konditionen und unter denselben Bedingungen zu erhalten ist.
Die GKV muss nun schnell eine Lösung erreichen, die sich wahrscheinlich in einer Kooperation mit der PKV finden wird. Dann würden ausgewählte private Krankenkassen den betroffenen GKV-Versicherten dieselben Zusatzleistungen anbieten, ohne etwas an den Konditionen zu verändern und auf ihrerseits auf ärztliche Gesundheitsprüfung verzichten.
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