Wie kann ich Schmerzensgeld fordern? Schmerzensgeld von der Kirche wegen Missbrauchs
Immer wieder steht insbesondere die katholische Kirche mit Missbrauchsskandalen in den Medien. Teilweise liegen die vermeintlichen Straftaten Jahrzehnte zurück und werden erst sehr spät aufgedeckt, was eine Strafverfolgung erschwert. Aber woran liegt es, dass in Deutschland Kindesmissbräuche in der Kirche schwerer strafrechtlich zu verfolgen sind? Und wie erhalten Betroffene Schmerzensgeld von der Kirche?
Schmerzensgeld von der Kirche wegen Missbrauch Das Wichtigste in Kürze
Die katholische Kirche kam oftmals ihren Meldepflichten bei Missbrauchsfällen nicht nach; es fanden strukturelle Vertuschungen statt.
Straftaten von Bischöfen und Priestern werden wie jede andere Straftat verfolgt.
Das Kirchenrecht sieht Strafen wie Verwarnung und Entlassung aus dem Klerikerstand vor.
2023 verpflichtete ein deutsches Gericht zum ersten Mal ein Bistum zum Zahlen eines Schmerzensgeldes.
Was ist über die (Kindes-) Missbräuche in der Kirche bekannt?
Sexueller Missbrauch in der evangelischen und katholischen Kirche ist ein gesellschaftliches Thema, das immer mehr an Relevanz gewinnt. In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass es insbesondere in der katholischen Kirche einen systematischen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen gibt. Eine neue Studie verdeutlicht aber, dass sexuelle Gewalt gegen Kinder und Jugendliche auch in der evangelischen Kirche ein enormes Problem ist, das lange Zeit nicht erkannt wurde.
Erst nach und nach werden die Missbrauchsfälle der vergangenen Jahre und Jahrzehnte aufgearbeitet, was durch neue gesetzliche Regelungen und Vereinbarungen erleichtert wird.
So geht das katholische Kirchenrecht mit Missbrauch um
Grundsätzlich unterstehen Priester und Bischöfe genauso dem weltlichen Recht wie jede andere Person. Werden sie also des sexuellen Missbrauchs beschuldigt, wird dem Verdacht durch die Strafverfolgungsbehörde nachgegangen und es kann zu einer Verurteilung kommen.
Es gibt aber auch bei sexuellem Missbrauch in der Kirche keine Anzeigepflicht: Ob eine Anzeige gestellt wird, obliegt dem Opfer. Wer innerhalb des katholischen Systems Opfer von sexueller Gewalt wird, kann sich an die jeweilige Ansprechperson wenden, die es in jedem Bistum gibt. Diese prüft die Plausibilität der Anschuldigung. Ist sie plausibel, wird der Beschuldigte mit den Vorwürfen konfrontiert.
Außerdem muss der Missbrauchsverdacht seit 2002 auch an die Glaubenskongregation im Vatikan gemeldet werden. Zudem sind die Verantwortlichen laut den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz dazu verpflichtet, den Verdacht sowie alle vorhandenen Informationen an die staatliche Strafverfolgungsbehörde weiterzuleiten. Eine Ausnahme besteht, wenn das Opfer dies ausdrücklich nicht wünscht.
Sowohl diese Informationspflicht als auch die Pflicht, den Verdacht an den Vatikan zu melden, wurde in der Vergangenheit oft missachtet. Lange hatten diese Verstöße gegen das kirchliche Recht auch gar keine Konsequenzen. Erst seit 2019 können Bischöfe für sexuellen Missbrauch innerhalb des Kirchenrechts bestraft werden. Auch neu sind Hausdurchsuchungen in bischöflichen Räumen, die es erstmals 2023 gab.
Zudem wurden die Opfer innerhalb der Kirche oftmals mittels Drohungen und Schweigegeld unter Druck gesetzt, um so die strafrechtliche Verfolgung zu verhindern. Kam es dennoch zu einem Prozess, wurde das Verfahren bewusst verschleppt, bis der Fall verjährte.
Welche Strafe droht innerhalb des Kirchenrechts?
Neben der weltlichen Strafverfolgung gibt es auch im Kirchenrecht Konsequenzen für den sexuellen Missbrauch. In einem nicht öffentlichen Prozess muss sich der Beschuldigte verantworten. Dabei wird die Kirche als Opfer der Tat gewertet, die Betroffenen können nicht als Nebenkläger auftreten. Eine mögliche Strafe ist die Verwarnung, die Höchststrafe ist die Entlassung aus dem Klerikerstand.
Aber: Auch wenn Täter in einem weltlichen Gericht schuldig gesprochen und bestraft werden, muss das nicht das Ende ihrer Laufbahn sein. Es gibt Fälle, in denen auch rechtskräftig verurteilte Täter wieder in der Seelsorge eingesetzt werden; die Versetzung in andere Gemeinden war lange üblich.
Wie können Kinder vor sexuellem Missbrauch in der Kirche geschützt werden?
Es gibt keine kommunizierte Strategie, um zukünftig sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche systematisch zu unterbinden.
Die Kirche hat sich lediglich zur freiwilligen Aufarbeitung der bestehenden Missbrauchsfälle verpflichtet. Darauf haben sich 2020 die Deutsche Bischofskonferenz und der unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) verständigt.
Dazu sollen in allen 27 römisch-katholischen Bistümern „Unabhängige Aufarbeitungskommissionen“ und Betroffenenbeiräte entstehen. Auch 2024 sind solche Kommissionen nicht in allen Bistümern gegründet und/oder voll besetzt.
Wie können Betroffene Schmerzensgeld von der Kirche erhalten?
Entscheiden sich betroffene Personen dazu, Anzeige zu erstatten, wird gegen den vermeintlichen Täter ermittelt. Zudem leistet die katholische Kirche eine freiwillige Zahlung für Missbrauchsbetroffene, unabhängig von der Strafverfolgung. Diese sogenannte Anerkennungsleistung ist einem Schmerzensgeld durch die Kirche gleichzustellen.
Das sogenannte „Verfahren zur Anerkennung des Leids“ der Deutschen Bischofskonferenz stellt eine Ergänzung des Rechtsweges zu den ordentlichen Gerichten dar. Hier setzt die unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) innerhalb der katholischen Kirche die Höhe der materiellen Leistungen bundesweit einheitlich fest. In der Praxis liegt das hier vergebene Schmerzensgeld der Kirche zwischen 1.000 bis maximal 50.000 Euro; begründet werden die Festsetzungen nicht. Die Höhe des von der Kirche gezahlten Schmerzensgeldes wird von vielen Betroffenen und Experten als zu niedrig kritisiert. Ein Urteil vom Juni 2023 eröffnet nun neue Perspektiven für Betroffene.
Am 13. Juni 2023 verurteilte das LG Köln das katholische Erzbistum Köln in einer wegweisenden Gerichtsentscheidung zu einem Schmerzensgeld in Höhe von 300.000 Euro (LG Köln, Urteil vom 13.06.2023 - Az. 5 O 197/22). Das Opfer wurde von einem Priester mehr als 300 Mal vergewaltigt und sexuell missbraucht. Dieses Urteil ist das erste Urteil eines deutschen Gerichts, das einem Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs durch einen Priester der katholischen Kirche eine Entschädigung in Form eines Schmerzensgelds zuspricht.
Jetzt Widerspruch einreichen
Dieses Urteil hat eine enorme Signalwirkung, da die UKA der katholischen Kirche selbst kommuniziert, dass sich die Leistungshöhe der Anerkennung „am oberen Bereich der durch staatliche Gerichte in vergleichbaren Fällen zugesprochenen Schmerzensgelder“ orientiert. Das Urteil ist auch für Opfer wichtig, die bereits eine solche Anerkennungsleistung erhalten haben.
Seit dem 1. März 2023 können Betroffene gegen die Festsetzung Widerspruch einlegen.
Folgendes gilt:
gegen Anträge, die zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 28. Februar 2023 entschieden wurden, kann bis zum 31. März 2024 Widerspruch eingelegt werden
gegen Anträge, die ab dem 1. März 2023 entschieden wurden, kann innerhalb einer Frist von zwölf Monaten ab Bekanntgabe der Leistungsentscheidung durch die Geschäftsstelle der UKA der Kirche Widerspruch eingelegt werden
Wenn du Opfer des sexuellen Missbrauchs in der katholischen oder evangelischen Kirche bist, dann kannst du die Widerspruchsregelung nutzen, um von der Kirche ein höheres Schmerzensgeld zu erwirken. Hole dir gern bei einem KLUGO Partner-Anwalt und Rechtsexperten Informationen zum richtigen Vorgehen ein, um Schmerzensgeld von der Kirche zu erhalten.