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Zwangsversteigerung abwenden: So gehen Sie vor

STAND 15.01.2024 | LESEZEIT 9 MIN

Zwangsversteigerungen gehören im deutschen Rechtswesen zu den komplexesten Angelegenheiten. Oft geht es dabei um größere Vermögen und nicht selten sind mehrere Parteien in den Rechtsstreit involviert. Zu den Gründen, die am häufigsten zu Zwangsversteigerungen von Immobilien führen, gehören Erbangelegenheiten, Krankheit, Arbeitslosigkeit oder eine Scheidung. Eine mögliche Lösung steht mit § 30 ZVG bereit.

Das Wichtigste in Kürze

  • Besitzer müssen bei drohender Zwangsvollstreckung schnell reagieren, um alle rechtlichen Mittel ausschöpfen zu können.
  • Der Termin zur Versteigerung wird vom örtlichen Amtsgericht und dem zuständigen Vollstreckungsgericht festgelegt.
  • Als Gläubiger gibt es ein theoretisches Veto-Recht.
  • Die Gelder aus der Zwangsversteigerung tilgen nicht immer vollständig die Schulden des Eigentümers.

Wann wird das Haus zwangsversteigert?

In diesen Fällen kann es zu einer Zwangsversteigerung kommen:

  • Können Eigentümer die Verbindlichkeiten als Schuldner gegenüber ihren Gläubigern nicht mehr nachkommen, kann es zur Zwangsversteigerung kommen. Allerdings sind nicht immer Geldsorgen oder die Überschuldung der Immobilienbesitzer Gründe für eine Versteigerung.
  • Können sich Erben nicht einigen oder will keiner von ihnen selbst in der geerbten Immobilien wohnen, ist oftmals eine Zwangsversteigerung der einzige Weg.
  • Vor einer Zwangsversteigerung kommt es in vielen Fälle zu einer Privatinsolvenz, die mit einem Antrag auf ein Verbraucherinsolvenzverfahren einhergeht. Das Verbraucherinsolvenzverfahren wird aber erst dann beantragt, wenn eine außergerichtliche Einigung zwischen Gläubiger und Schuldners nicht möglich ist bzw. war.
  • Ist die betroffene Immobilie finanziert und kann der Immobilienbesitzer die Zahlungen der monatlichen Raten über eine definierte Zeit nicht aufbringen, dann kann die zuständige Bank die Zwangsversteigerung beim Vollstreckungsgericht beantragen. Diese läuft in vier Phasen ab.

Ablauf einer Zwangsversteigerung

Nachdem ein Antrag auf Zwangsvollstreckung gestellt und der Verkehrswert der Immobilie festgestellt wurde, legt das Vollstreckungsgericht einen Versteigerungstermin fest. Zunächst steht die Eröffnung an, bei der alle wichtigen Informationen zur Immobilie vorgetragen und ein Mindestgebot festgelegt wird. Interessenten können nun ihre Gebote abgeben.

Am Ende der sogenannten Bieterzeit kommt es zur Verhandlung über den Zuschlag. Liegt das höchste Gebot unter 70 Prozent des Verkehrswertes, hat der Gläubiger ein theoretisches Veto-Recht. Kommt es im ersten Termin nicht zu einem Mindestangebot von 70 Prozent des Verkehrswertes, fällt diese Grenze in den nächsten Terminen weg. Daher gilt das Veto-Recht des Eigentümers nur als theoretisches Recht.

Die letzte Phase ist der Verteilungstermin, bei dem der Erlös aus der Zwangsversteigerung aufgeteilt wird und der Eigentumsübergang im Grundbuch eingetragen. Erhält am Ende der Zwangsversteigerung ein Gläubiger den Zuschlag, dann geht das Eigentum der Immobilie sofort an ihn über.

Wie kann man eine Zwangsversteigerung verhindern?

Als Schuldner kann man in einigen Fällen einen Aufschub erwirken, und zwar dann, wenn man dem Gericht glaubhaft nachweisen kann, dass man die drohende Versteigerung der Immobilie innerhalb von maximal einem Jahr verhindern kann.

Die Möglichkeit einer Einstellung ist zum Beispiel in folgenden Fällen möglich:

  • Einstweilige Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 769 ZPO, wenn der Vollstreckungsschuldner eine Vollstreckungsabwehrklage einlegt.
  • Vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 707 ZPO, wenn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder eine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt wurde.
  • Einstellung vom Zwangsversteigerungsverfahren nach § 30 ZVG, wenn der Gläubiger die Einstellung bewilligt.
  • Einstellung vom Zwangsversteigerungsverfahren nach § 30a ZVG auf Antrag des Schuldners.

Doch als erste Maßnahme sollte der Gläubiger stets das Gespräch mit seiner Bank suchen. Dort gibt es verschiedene Möglichkeiten für Sie:

Tilgung verringern oder aussetzen

Eine Senkung der monatlichen Raten kann helfen, den Verlust der Immobilie unter Umständen zu verhindern. Ist der Zinssatz des Darlehens variabel oder die Zinsbindungsfrist abgelaufen, können Gläubiger die Tilgung verringern oder aussetzen. Sinnvoll ist diese Lösung, wenn der finanzielle Engpass nur vorübergehend auftritt. Allerdings sind Banken nicht verpflichtet, sich auf eine Aussetzung oder Verringerung der Tilgung einzulassen.

Beachten Sie aber, dass jede Tilgung mit einer längeren Rückzahlung des Darlehens einhergeht.

Raten stunden

Die Stundung von Raten ist ebenfalls nur eine temporäre Lösung, die jedoch für finanzielle Entlastung sorgen kann. Langfristig ist auch diese Möglichkeit nicht empfehlenswert, denn am Ende verlängert sich die Schuldenlast.

Bei einer Stundung zahlen Schuldner zur Überbrückung einer wirtschaftlichen Notlage keine Raten an die zuständige Bank. Für die ausgesetzten Raten verlängert sich in der Regel der Hauskredit um den gleichen Zeitraum.

Umschulden

Auch die Option einer Umschuldung ist eine Möglichkeit, um eine Zwangsversteigerung abzuwenden. Ein neuer Immobilienkredit aufgrund einer Umschuldung gilt als eine von drei zulässigen Voraussetzung, um das Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 30a ZVG einzustellen.

Sofern die Zinsen jetzt günstiger sind, als zum Zeitpunkt der Aufnahme des Hauskredites, kann eine Umschuldung sinnvoll sein. Grundlage für das Umschulden ist der Ablauf der Zinsbindungsfrist, die im Kreditvertrag festgelegt ist.

Grundlagen einer erfolgreichen Umschuldung ist der intensive Austausch mit der Bank und eine positive Prognose.

Haus zum Teil untervermieten

Sollte im Haus genug Platz sein, könnte ein Zimmer untervermietet werden. Die zusätzlichen Mieteinnahmen tragen zur Senkung der Nebenkosten bei und reduzieren die Außenstände bei der Bank.

Wertgegenstände verkaufen

Um eine Zwangsversteigerung abzuwenden, können auch Wertgegenstände, die sich im Besitz des Schuldners befinden, veräußert werden. Mit den Einnahmen lassen sich entweder Schulden tilgen oder die Ausgaben reduzieren.

Regelmäßige Kosten eindämmen

Geht es uns finanziell gut, machen wir uns selten Gedanken über die Festkosten, die wir jeden Monat oder jedes Jahr aufs Neue bezahlen. Geht es uns jedoch gerade finanziell nicht so gut, sind wir eher bereit, unsere festen Kosten zu überwachen und unnötige Ausgaben zu vermeiden.

Vor allem bei Luxusgütern, wie beispielsweise dem TV-Streaming-Angebot oder dem Abo für die Beauty-Zeitung, lässt sich einiges sparen. Aber auch bei Versicherungen, Energiekosten, Fahrtkosten oder Telekommunikation lassen sich Sparpotenziale identifizieren.

Freihändiger Verkauf des Hauses

Bevor es zu einer Zwangsversteigerung kommt, können Schuldner den Hausverkauf selbständig anstoßen. Dieser freihändige Verkauf bringt oftmals einen höheren Erlös als durch die Zwangsversteigerung. Vor allem, da bei der Veräußerung der Immobilie durch die Bank, auch Gebühren anfallen, die der Schuldner übernehmen muss.

Zwangsversteigerung bereits eingeleitet: Was tun?

Auch wenn die Möglichkeiten begrenzt sind, eine Zwangsversteigerung zu verhindern, lohnt es sich dennoch für die eigene Immobilie zu kämpfen. Einem Antrag auf Zwangsversteigerung sind meist langwierige Bemühungen seitens des Gläubigers und eventuell auch des Schuldners vorangegangen.

Wer frühzeitig aktiv wird, kann die Zwangsversteigerung unter Umständen verhindern oder zumindest den finanziellen Schaden begrenzen. Am Ende der Bemühungen kann es dennoch sein, dass Schuldner ihre Immobilie verlieren.

Als Schuldner haben Sie zwei Wochen nach dem Antrag des Gläubigers auf Zwangsversteigerung die Möglichkeit, eine einstweilige Einstellung des Verfahrens gem. § 30 ZVG zu beantragen.

Das Verfahren soll auf die Dauer von höchstens 6 Monaten eingestellt werden, wenn die Aussicht besteht, dass:

  1. durch die Einstellung die Versteigerung vermieden werden kann
  2. die Einstellung den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Schuldners nach sowie der Art der Schuld der Billigkeit nach entspricht.

Mit der Billigkeit wird festgelegt, dass unter der rechtlichen Norm ein Härtefall nach § 765a ZPO vorliegt und die Vorgaben zur Zwangsversteigerung unter Gerechtigkeitserwägungen mildert.

Konkret bedeutet das, der Gläubiger muss glaubhaft machen, dass die Vollstreckung wegen besonderer Umstände eine besondere Härte bedeuten würde. Eine anstehende Geburt ist ein Beispiel, wo Gerichte die Zwangsvollstreckung unter Vorlage eines medizinischen Gutachtens gestoppt haben. Die besondere Härte wird in aller Regel dann festgestellt, wenn die Belastung für den Schuldner ungleich höher als für den Gläubiger ist. Allerdings sind dies vor Gericht häufig Einzelfallentscheidungen.

Stellt der Schuldner einen solchen Antrag, muss der betreibende Gläubiger dazu angehört werden.

So hilft Ihnen ein KLUGO Partner-Anwalt bei einer Zwangsversteigerung weiter

Anwaltlicher Rat ist in vielen Fällen bereits vor der eigentlichen Zwangsversteigerung notwendig, und zwar unter anderem dann, wenn Sie nicht mit dem vom Gericht festgelegten Verkehrswert einverstanden sind. Wurden Sie vor der Zwangsversteigerung nicht zum Sachverhalt befragt, können Sie nach § 766 ZPO eine Vollstreckungserinnerung einreichen. Der Antrag auf vorläufige Einstellung des Verfahrens ist das stärkste Rechtsmittel, das Ihnen zur Verfügung steht, aber nicht das Einzige. Liegt das rechtswidrige Betreiben einer Zwangsversteigerung vor, können Sie sogar Schadensersatz verlangen. Zeitlich befristete Lösungen können helfen, indem der Gläubiger im Falle von Zahlungsproblemen bei seiner Bank in der Zeit weder Zinsen noch Tilgung zahlt, sondern lediglich die monatliche Nettorate.

Wenn Sie das Gefühl haben, nicht ausreichend informiert zu sein oder sich nicht mit dem Gläubiger einigen können, um die Zwangsversteigerung abzuwenden, kann einer unserer KLUGO Partner-Anwälte oder Rechtsexperten helfen.

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