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Alleiniges Sorgerecht beantragen
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Wann sollten Sie das alleinige Sorgerecht beantragen?

STAND 05.06.2019 | LESEZEIT 4 MIN

Nach § 1626 BGB sind Eltern gegenüber Ihren leiblichen minderjährigen Kindern gemeinsam zur elterlichen Sorge verpflichtet. Geschützt wird sowohl das körperliche, geistige und seelische Wohl, als auch das Vermögen des Kindes. Aber was passiert, wenn ein Sorgeberechtigter plötzlich eine Gefahr für das Kindeswohl darstellt? Wann lohnt es sich, ein alleiniges Sorgerecht zu beantragen und in welchen Fällen geben Gerichte diesem Antrag statt?

Das Wichtigste in Kürze

  • Grundsätzlich wird gemäß § 1626 BGB zum Wohl des Kindes vom gemeinsamen Sorgerecht ausgegangen.
  • Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht verheiratet, hat die Mutter automatisch das alleinige Sorgerecht, § 1626a BGB. Es bedarf in diesem Fall für das gemeinsame Sorgerecht einer Sorgerechtserklärung.
  • Ist ein Elternteil nicht in der Lage für das Kind zu sorgen, kann der andere Elternteil das alleinige Sorgerecht beantragen.
  • Beim alleinigen Sorgerecht verfügt ein Elternteil über die alleinigen Rechte in Bezug auf das Kind.
  • Um das alleinige Sorgerecht beantragen zu können, bedarf es der Zustimmung des anderen Elternteils.
  • Fehlt die Zustimmung, müssen eine ausführliche Begründung und Beweise vorgebracht werden, um das Familiengericht von der Notwendigkeit der Änderung zu überzeugen.

Wie muss ein Antrag auf alleiniges Sorgerecht aussehen?

Um das Kindeswohl zu schützen, gehen Gesetzgeber und Gerichte davon aus, dass beide Elternteile das Sorgerecht grundsätzlich gemeinschaftlich tragen.

Es gibt nur zwei Konstellationen, in denen das Sorgerecht auf einen Elternteil allein übertragen wird. Die erste Konstellation tritt beim Tod eines Elternteils ein - in diesem Fall wird der überlebende Elternteil automatisch zum allein Sorgeberechtigten. Die zweite Konstellation betrifft die Entziehung des Sorgerechts durch das Familiengericht. Stellt ein Sorgeberechtigter eine Gefahr für das körperliche, geistige oder seelische Wohlbefinden des Minderjährigen oder seines Vermögens dar, kann ihm das Familiengericht das Sorgerecht entziehen und dem anderen Elternteil das alleinige Sorgerecht übertragen.

Grundsätzlich hat jeder Elternteil die Möglichkeit, vor dem Familiengericht einen Antrag auf Erteilung des alleinigen Sorgerechts zu stellen. Hat der betroffene andere Elternteil bereits seine Zustimmung dazu signalisiert, ist ein knapper formloser Antrag ausreichend. Das alleinige Sorgerecht kann in diesem Fall komplikationslos erteilt werden.

Anders ist der Fall zu beurteilen, wenn der Betroffene sich gegen einen Sorgerechtsentzug wehrt. Ein Sorgerechtsentzug stellt einen groben Eingriff in die bisherige Familienstruktur dar. Aus diesem Grund muss dem Gericht vom Antragsteller ausführlich dargelegt und bewiesen werden, warum der Elternteil nicht geeignet ist, Sorge für sein Kind zu tragen.

Nach diesen drei Kriterien entscheidet das Familiengericht

Ob ein Antrag auf Erteilung des alleinigen Sorgerechts gerechtfertigt ist, beurteilt das Gericht grundsätzlich danach, was das Beste für das Kind ist. Zur Entscheidungsfindung ziehen die Gerichte insbesondere die drei Kriterien Kontinuität, Förderung und Soziale Bindung heran.

Bei der Frage nach der „Kontinuität“, dient die zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Elternteilen und dem Kind als Indikator. Das Gericht bewertet, ob die Beziehung verlässlich und stabil ist und das Kind auf die Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit des Elternteils zählen kann. Als Indiz für eine verlässliche Eltern-Kind-Beziehung dient bei Scheidungen unter anderem die Frage, bei wem das Kind die Zeit der Trennung verbracht hat.

Unter dem Kriterium der „Förderung“ soll geklärt werden, wer die besseren Voraussetzungen bietet, um das Kind bestmöglich materiell zu fördern. Zu diesem Zweck betrachtet das Gericht die Bildung und finanziellen Mittel beider Elternteile.

Ein stabiles soziales Umfeld ist wichtig für die gesunde Entwicklung von Kindern. Besonders in schwierigen Lebenssituationen gibt es Sicherheit. Unter dem Aspekt der „Sozialen Bindung“ widmet sich das Gericht daher der Frage, ob dem Kind Verwandte, Freundeskreis und Bekannte erhalten bleiben, wenn sich das Sorgerecht ändert.

Nach §159 FamFG muss ein über 14 Jahre altes Kind vom Richter persönlich zur Sache angehört werden. Auch jüngere Kinder können, je nach Reifegrad, befragt werden.

Sachverhalte, bei deren Vorliegen Gerichte das alleinige Sorgerecht übertragen

Grobe Erziehungsfehler des Elternteils, wie zum Beispiel unkontrolliertes Verhalten, mehrfache Wutanfälle, aber auch eine überfürsorgliche, das Kind einschränkende Erziehung, gehören dazu. Daneben wird auch in Fällen der Verweigerung des Umgangsrechts und einer verfassungsfeindlichen Erziehung, zum Beispiel durch Neonazis, das Sorgerecht entzogen und dem unbeteiligten Elternteil komplett übertragen.

Auch eine Gesundheitsgefährdung durch den Elternteil kann dazu führen, dass der Anspruch des anderen Elternteils auf alleiniges Sorgerecht begründet ist. Insbesondere die fehlende Zustimmung zu einer notwendigen ärztlichen Behandlung wird von Gerichten als eine Gesundheitsgefährdung angesehen. Bekanntes Beispiel: Eltern, die Jehovas Zeugen angehören und aus religiösen Gründen die Zustimmung zur notwendigen Bluttransfusion ihrer Kinder verweigern. Aber auch ein Elternteil, der trotz Asthmaerkrankung ihres Kindes vor diesem rauchen, gefährden dessen Gesundheit.

Bei körperlicher oder seelischer Misshandlung wird das Sorgerecht zu Recht schnell entzogen.

Auch die Vernachlässigung des Kindes durch einen Elternteil begründet den Entzug des Sorgerechts. Dabei kann Vernachlässigung auf vielerlei Arten geschehen. Darunter fällt nicht nur die fehlende Aufsicht, bei der Kinder sich selbst überlassen werden. Auch mangelnde Hygiene, Unterernährung und fehlende Kleidung werden von Richtern als Zeichen von Vernachlässigung gesehen.

Als Elternteil ist man gegenüber dem Kind auch zur Vermögenssorge verpflichtet. Eltern dürfen nichts tun, was den finanziellen Interessen des Kindes zuwiderläuft. Zum Beispiel eine Spareinlage für eigene Zwecke ausgeben. Liegt eine Gefährdung des Kinder-Vermögens durch einen Elternteil vor, ist das ein Grund zum Entzug des Sorgerechts und der Übertragung auf den anderen Elternteil.

Wird das Sorgerecht dazu benutzt, das Kind zu strafbarem Verhalten anzuleiten, zum Beispiel zum Diebstahl anzustiften, liegt ein Sorgerechts-Missbrauch vor. Für Richter ein klarer Grund, das Sorgerecht zu entziehen.

Liegen bei den Eltern Suchterkrankungen und psychische Erkrankungen vor, sehen Richter das Kindeswohl gefährdet. Auch ein solches - unverschuldetes - Verhalten, kann den Entzug des Sorgerechts begründen.

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Trotz allem können diese Fälle nur eine grobe Richtung vorgeben. Letztendlich muss über den Antrag zum alleinigen Sorgerecht immer im Einzelfall entschieden werden. Dabei hat das Kindeswohl immer an erster Stelle zu stehen und ein Entzug des Sorgerechts darf nur als allerletztes Mittel herangezogen werden.

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