Das musst du wissen Kündigung wegen Kirchenaustritt: Darf mein Arbeitgeber das?
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Irgendwann hast du die Entscheidung getroffen: Ich trete aus der Kirche aus. Tatsächlich behalten sich kirchliche Arbeitgeber das Recht vor, dir zu kündigen, wenn du aus der Kirche austrittst – ob aus Glaubensgründen oder wegen der Kirchensteuer, spielt keine Rolle. Erfahre, wann und wie du gegen die Kündigung wegen Kirchenaustritts vorgehen kannst.
Kündigung wegen Kirchenaustritts Das Wichtigste in Kürze
Kündigung wegen Kirchenaustritts war lange Zeit üblich, weil die Kirche die Loyalitätspflichten verletzt sah.
In aktuelleren Fällen gab das Bundesarbeitsgericht (BAG) eher den Arbeitnehmern recht.
Grundsatzfrage: Verstößt die Kündigung wegen Kirchenaustritts gegen das Gleichstellungsgesetz?
Aktuell liegt dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) diese Frage vor, zu dem er eine Empfehlung abgeben soll.
Kann mir wegen Kirchenaustritts gekündigt werden?
Ja, das ist bisher möglich. In der katholischen Kirche regelt die Grundordnung des kirchlichen Dienstes, wann eine Kündigung zulässig ist. Bis 2022 war der Kirchenaustritt ein Kündigungsgrund. Denn: Laut der katholischen Kirche sind Personen, die aus der Kirche austreten „Abtrünnige und dem Kirchenbann verfallen" (LAG Hamm, Urteil vom 24.09.2020 - Az. 18 Sa 210/20). Mit der Neufassung, die am 22.11.2022 von der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) beschlossen wurde, wird diese Regelung aufgeweicht. Seither ist die Kündigung beim Kirchenaustritt nicht zwingend.
Die katholische Kirche behält sich vor, Einzelfälle nach ihrem kirchlichen Selbstverständnis zu behandeln. Ähnlich formuliert es die evangelische Kirche, die sich Kündigungen beim Kirchenaustritt vorbehält.
Wird mein Arbeitgeber über meinen Kirchenaustritt informiert?
Ja, dein Arbeitgeber wird automatisch informiert. Sobald die Meldebehörde die Information zum Kirchenaustritt erhalten hat, wird dies in der elektronischen Lohnsteuerkarte abgespeichert.
Wie hat das BAG in der Vergangenheit entschieden?
In der Vergangenheit hat das BAG überwiegend arbeitnehmerfreundlich entschieden.
Dabei sind oftmals zwei entscheidende Faktoren von Bedeutung:
Keine Ungleichbehandlung: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht vor, dass niemand „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung“ (§ 1 AGG) benachteiligt werden darf. Wenn dir aber als Köchin, Krankenpfleger oder Sachbearbeiter in einer kirchlichen Einrichtung wegen deines Kirchenaustritts gekündigt wird, wirst du anders behandelt als deine Kolleginnen und Kollegen ohne Konfessionszugehörigkeit.
Anforderungsprofil der Stelle: Nach § 9 Abs. 2 AGG ist eine solche Ungleichbehandlung nur dann gerechtfertigt, wenn die Zugehörigkeit zur katholischen oder evangelischen Kirche eine unerlässliche berufliche Anforderung darstellt. In vielen Fällen kann diese Anforderung nicht nachgewiesen werden und der Kirchenaustritt als Kündigungsgrund ist nicht wirksam.
So erhielt der Koch einer evangelischen Kindertagesstätte in der Evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart nach seinem Kirchenaustritt die Kündigung. Er reichte eine Kündigungsschutzklage ein und erhielt vor Gericht recht. Das Gericht argumentierte, dass „weder im Hinblick auf die Tätigkeit des Klägers als Koch noch im Hinblick auf die Umstände der Ausübung der Tätigkeit die Loyalitätserwartung der Beklagten an den Kläger, nicht aus der Kirche auszutreten, eine wesentliche und berechtigte Anforderung darstelle.“ Das Gericht sieht nicht, dass der „Kläger als Koch an der Bestimmung des Ethos der evangelischen Kirche mitwirke“ (LAG Stuttgart, Urt. v. 10.02.2021, Az. 4 Sa 27/20; Vorinstanz: Arbeitsgericht Stuttgart, Urt. v. 12. März 2020, Az. 22 Ca 5625/19).
Wie soll über den EuGH eine Grundsatzentscheidung getroffen werden?
Der Fall einer Hebamme sollte eine endgültige Entscheidung bringen. Ihr Fall lag bereits Ende 2023 dem EuGH vor. Die Hebamme arbeitete in einem kirchlichen Krankenhaus und kündigte selbst. Zu einem späteren Zeitpunkt kehrte sie zu ihrem Arbeitgeber zurück, trat aber zwischenzeitlich aus der Kirche aus. Dass die Hebamme ihren Kirchenaustritt im Personalbogen angab, fiel zunächst nicht auf. Später wurde ihr gekündigt, nachdem sie sich weigerte, wieder in die Kirche einzutreten. Sie klagte dagegen, insbesondere weil an ihrem Arbeitsplatz auch Personen arbeiten, die niemals einer Kirche zugehörig gewesen sind.
Das BAG setzte die darauffolgende Revisionsklage aus und legte den Fall dem EuGH zur Entscheidung vor (Beschl. v. 21.07.2022, Az. 2 AZR 130/21). Zu einer Entscheidung kam es nicht, da der Dienstgeber in einer mündlichen Verhandlung anerkannte, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung des Arbeitgebers aufgelöst wurde.
Wie ist der aktuelle Stand?
Durch die vorzeitige Anerkennung des Dienstgebers hat der EuGH keine grundsätzliche Entscheidung bzw. Empfehlung abgegeben. Nun soll es aber eine solche Entscheidung geben, die sowohl auf Seiten der Arbeitnehmer wie auch auf Seiten der Kirchen für Rechtssicherheit sorgt. Ausgangspunkt ist die Kündigung einer Sozialpädagogin. Ihr Arbeitgeber die Caritas sah in dem Kirchenaustritt einen Kündigungsgrund.
Die Betroffene hatte länger als sechs Jahre in der Schwangerschaftsberatung der Caritas gearbeitet. Sie ging im Juni 2013 in Elternzeit, im Oktober 2013 folgte ihr Kirchenaustritt. Daraufhin erhielt sie aufgrund ihres Kirchenaustritts die fristlose Kündigung, gegen die sie vorging. Das Arbeitsgericht Wiesbaden (ArbG Wiesbaden, Urt. v. 10.06.2020, Az. 2 Ca 288/19) und das Landesarbeitsgericht Frankfurt (LAG Frankfurt, Urt. v. 01.03.2022, Az. 8 Sa 1092/20) gaben ihr recht.
Nun hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts das Revisionsverfahren ausgesetzt und den EuGH darum gebeten, eine Einschätzung abzugeben. Es steht die Frage im Raum, ob eine solche Ungleichbehandlung der Beschäftigten durch das europäische Recht gedeckt ist oder nicht. An die Auslegung des EuGH müssen sich anschließend die nationalen Gerichte orientierten. Für die evangelische und die katholische Kirche steht viel auf dem Spiel: Wenn der Kirchenaustritt kein zugelassener Kündigungsgrund mehr ist und er damit keine relevanten Folgen mehr hat, verliert das kirchliche Arbeitsrecht an Relevanz und Substanz.
Was kann ich tun, wenn mir wegen meines Kirchenaustritts gekündigt wurde?
Wenn du die Kündigung bereits erhalten hast, dann solltest du innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einreichen. Dabei unterstützt dich jederzeit gern ein Anwalt für Arbeitsrecht.
Oder führt dein Arbeitgeber aktuell Gespräche mit dir, die deinen Wiedereintritt in die Kirche bezwecken sollen? Auch dann solltest du dich beraten lassen, um durch ein kluges Vorgehen der Kündigung zuvorzukommen. Vereinbare dazu ein unverbindliches Gespräch mit einem KLUGO Partner-Anwalt für Arbeitsrecht.
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