Mann und Frau sitzen am Tisch und sprechen über unterlagen

Prozessbeteiligte vor Gericht Ablauf einer Gerichtsverhandlung

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Bei einem Gerichtsverfahren ist der Ablauf der Verhandlung nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für Zuschauer oder Angehörige häufig eine völlig neue Erfahrung.

von KLUGO
17.04.2019
8 Min Lesezeit

Ablauf einer Gerichtsverhandlung Das Wichtigste in Kürze

  • Wer als Prozessbeteiligter vor Gericht geladen wird, muss der Ladung Folge leisten.

  • Der Ablauf des Prozesses wird durch die jeweilige Prozessordnung bestimmt.

  • Es gelten bestimmte Rahmenbedingungen, die einzuhalten sind, um den ordnungsgemäßen Ablauf der Verhandlung zu gewährleisten.

  • Örtlich zuständig ist das Gericht am Wohnsitz oder Aufenthaltsort der beteiligten Person.

Welches Gericht ist überhaupt zuständig?

In Deutschland gibt es fünf verschiedene Gerichtsbarkeiten, die jeweils für spezifische rechtliche Bereiche zuständig sind. Jede dieser Gerichtsbarkeiten hat ihre eigenen Zuständigkeiten und Verfahrensordnungen, die festlegen, welche Gerichte für welche Arten von Streitigkeiten zuständig sind.

Die fünf Gerichtsbarkeiten:

  1. Arbeitsgerichtsbarkeit

  2. Verwaltungsgerichtsbarkeit

  3. Finanzgerichtsbarkeit

  4. Sozialgerichtsbarkeit

  5. Ordentliche Gerichtsbarkeit

Die ordentliche Gerichtsbarkeit ist zuständig für zivilrechtliche und strafrechtliche Verfahren, einschließlich Jugendstrafrecht.

Die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts richtet sich normalerweise nach dem Wohnsitz oder Aufenthaltsort der betroffenen Person. Für juristische Personen gilt der Sitz als Maßstab.

Jede Gerichtsbarkeit wird durch spezifische Gerichtsordnungen geregelt, während die sachliche Zuständigkeit in Deutschland durch das Gerichtsverfassungsgesetz festgelegt ist.

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Gegenstand der Gerichtsverfahren, an denen Deutsche in den letzten zehn Jahren beteiligt waren – Infografik

Wann musst du persönlich vor Gericht erscheinen?

Ob im Zivil-, Straf- oder Verwaltungsprozess: In vielen Fällen ist das persönliche Erscheinen der beteiligten Parteien, Anwälte oder Zeugen vor Gericht erforderlich. Dies gilt insbesondere, wenn das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen Vergleich anstrebt oder dieser als möglich erachtet wird.

Persönliches Erscheinen im Zivilprozess

Nach § 141 ZPO ist das persönliche Erscheinen der Parteien erforderlich, wenn es zur Aufklärung des Sachverhalts nötig ist. Auch wenn eine Partei durch einen Anwalt vertreten wird, bleibt das persönliche Erscheinen vor Gericht in solchen Fällen verpflichtend. Wird eine Ladung ignoriert, kann das mit einem Ordnungsgeld nach § 141 Abs. (3) ZPO geahndet werden.

Persönliches Erscheinen im Strafprozess

Das deutsche Rechtssystem sieht vor, dass im Strafverfahren grundsätzlich nur in Anwesenheit des Angeklagten verhandelt werden darf. Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten führt die Abwesenheit des Angeklagten dazu, dass nach § 230 der Strafprozessordnung kein Urteil ergehen darf. Das gilt auch im Ordnungswidrigkeitsverfahren: Auch hier ist der Betroffene gemäß § 73 Abs. (1) OWiG zur Anwesenheit verpflichtet. Erleichterungen ergeben sich hier lediglich in Bezug auf die Hauptverhandlung, die trotz Abwesenheit des Betroffenen durchgeführt werden kann.

Wichtig:

Die Anwesenheitspflicht des Angeklagten ist im Strafverfahren eine wichtige Verfahrensgrundlage. Bei einer Verletzung dieser Pflicht kann die Anwesenheit des Angeklagten durch einen Vorführungsbefehl oder sogar durch einen Haftbefehl herbeigeführt werden.

Anwaltspflicht Muss ich mich durch einen Rechtsanwalt vor Gericht vertreten lassen?

Die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung hängt von der Art des Verfahrens und der Gerichtsbarkeit ab. Im Zivilprozess schreibt § 78 der Zivilprozessordnung (ZPO) vor, dass bei Verhandlungen vor den Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof Anwaltszwang besteht. Ohne einen Anwalt können dort keine wirksamen Prozesshandlungen vorgenommen werden. Vor dem Amtsgericht besteht hingegen kein genereller Anwaltszwang, mit Ausnahme von Verfahren vor den Familiengerichten: Dort ist in jeder Instanz eine anwaltliche Vertretung erforderlich.

Solltest du noch auf der Suche nach einem passenden Anwalt sein oder über einen Anwaltswechsel nachdenken, bietet dir eine telefonische Erstberatung die Möglichkeit, direkt mit einem Rechtsexperten zu sprechen und eine fundierte Beratung zu erhalten.

Ablauf einer Verhandlung im Strafprozess

Gerichtsverhandlungen unterliegen in Deutschland in allen Gerichtsbarkeiten einem eigenen, festgelegten Ablauf. Er garantiert ein ordnungsgemäßes und rechtssicheres Verfahren und ist daher per Gesetz normiert.

Dreh- und Angelpunkt im Strafprozess ist die sogenannte Hauptverhandlung. Sie schließt sich an das Ermittlungsverfahren an und wird in ihrem Ablauf durch die §§ 226ff der Strafprozessordnung (kurz: StPO) geregelt. In der Hauptverhandlung werden Zeugen gehört und die Beweismittel im Rahmen der Beweisaufnahme gewürdigt. Die Verteidigung kann dabei im Rahmen von Beweisanträgen versuchen, weitere Beweismittel zur Entlastung des Angeklagten einzubringen.

Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich: Damit soll verhindert werden, dass Prozesse „hinter verschlossenen Türen“ stattfinden. Bürger haben die Möglichkeit, an öffentlichen Sitzungen teilzunehmen. Die Sitzungstermine der Gerichte werden auch online veröffentlicht und stehen so der Teilnahme offen. Eine Ausnahme bilden Verfahren, bei denen ein besonderes Schutzinteresse den Ausschluss der Öffentlichkeit rechtfertigt – so zum Beispiel im Bereich des Jugendstrafrechts.

KLUGO Tipp:

Wenn du an einem Strafprozess beteiligt bist und unsicher bist, was dich erwartet, kannst du dir als Zuschauer in einer öffentlichen Verhandlung einen ersten Eindruck verschaffen. So erlebst du live, wie ein Prozess vor Gericht abläuft.

Den genauen Ablauf der Hauptverhandlung bestimmt § 243 StPO. Er umfasst folgende Punkte:

  1. Aufruf der Sache

  2. Vernehmung des Angeklagten zur Person

  3. Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt

  4. Vernehmung des Angeklagten zur Sache

  5. Beweisaufnahme

  6. Schlussvorträge

  7. Beratung des Gerichts

  8. Urteilsverkündung

Ablauf einer Verhandlung im Zivilprozess

Während die Hauptverhandlung im Strafprozess das zentrale Element darstellt, ist im Zivilprozess der Haupttermin bzw. die mündliche Verhandlung zentraler Bestandteil im Prozess. Er folgt keinem zwingenden Ablauf, ist aber ebenfalls durch eine typische Vorgehensweise gekennzeichnet.

Eine Verhandlung im Zivilprozess stellt sich in der Regel wie folgt dar:

  1. Aufruf der Sache

  2. Eröffnung der Verhandlung durch den Vorsitzenden

  3. Feststellung der Anwesenheit der Prozessbeteiligten

  4. optional Güteverhandlung bzw. gütliche Einigung

  5. mündliche Verhandlung mit Anträgen der Parteien

  6. optional Beweisaufnahme bei strittigen Tatsachen

  7. Fortsetzung der mündlichen Verhandlung

  8. Urteil

Wer trägt die Kosten der Gerichtsverhandlung?

Bei allen Prozessen stellen sich die Beteiligten immer auch die Frage, wie die Kosten für einen Rechtsstreit oder für ein Verfahren verteilt werden. Diese richtet sich nach der jeweiligen Gerichtsbarkeit. Während bei einem Zivilprozess der Verlierer des Rechtsstreits regelmäßig für sämtliche Kosten des Verfahrens aufkommen muss, ist dies je nach Gerichtsbarkeit anders gelagert: Im Straf- und Bußgeldverfahren gehen sämtliche Kosten auf die Staatskasse über, wenn es zu einem Freispruch des Beschuldigten kommt. Bei einer Einstellung des Verfahrens ohne Freispruch muss der Beschuldigte die vorgerichtlichen Kosten selbst tragen.

Wichtig zu wissen: Eine Rechtsschutzversicherung hilft dabei, entstehende Kosten rund um eine Gerichtsverhandlung aufzufangen. Eine Statistik des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft zeigt, dass viele Menschen vor einem Rechtsstreit zurückschrecken, weil sie Angst vor den damit verbundenen Kosten haben. Das betrifft insbesondere die Anwaltskosten. Mit einer Rechtsschutzversicherung kannst du die dir zustehenden Rechte losgelöst von möglichen Kosten verfolgen und auch gerichtlich durchsetzen.

Was ist bei einer Gerichtsverhandlung zu beachten?

Unabhängig davon, in welcher Rolle du an einer Gerichtsverhandlung teilnimmst: Der Auftritt vor Gericht folgt bestimmten Spielregeln. Wir stellen dir die wichtigsten vor:

  • Altersbeschränkung für Kinder: Eine Altersbeschränkung für Kinder, die als Begleitung mit von der Partie sind, gibt es per Gesetz nicht. Der Richter kann Kinder aber von der Anwesenheit ausschließen, wenn es im Strafprozess zum Beispiel um Gewaltverbrechen geht oder wenn die Kinder so klein sind, dass sie den Ablauf der Verhandlung stören.

  • Kleiderordnung: Es gibt keine festen Vorschriften, aber Kleidung sollte angemessen sein. Verboten sind Kleidungsstücke, die eine Ablehnung der staatlichen Ordnung ausdrücken. Mützen, Hüte oder Kappen sollten aus Respekt abgenommen werden. Verhüllungen sind nur zulässig, wenn sie den Ablauf der Verhandlung nicht stören.

  • Essen und Trinken: Im Gerichtssaal darf in der Regel weder gegessen noch getrunken werden – dies regeln die Hausordnung oder der Richter. Ausnahmen gibt es nur bei gesundheitlichen Gründen oder mit ausdrücklicher Erlaubnis. Auch Kaugummikauen gilt als respektlos.

  • Pünktlichkeit: Zeugen erhalten mit der Ladung eine feste Uhrzeit. Sei rechtzeitig vor Ort und plane ausreichend Zeit ein. Verspätungen solltest du dem Gericht mitteilen, andernfalls drohen Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft (§ 380 Zivilprozessordnung).

§ 380 Zivilprozessordnung

Folgen des Ausbleibens des Zeugen

(1) Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden, ohne dass es eines Antrages bedarf, die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Zugleich wird gegen ihn ein Ordnungsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt.

(2) Im Falle wiederholten Ausbleibens wird das Ordnungsmittel noch einmal festgesetzt; auch kann die zwangsweise Vorführung des Zeugen angeordnet werden.

Bei rechtlichen Fragen rund um das Thema Gerichtsverhandlung und Prozessbegleitung helfen wir Ihnen gerne im Rahmen einer telefonischen Erstberatung weiter. Unsere kompetenten Fachanwälte stehen dir dabei mit juristischem Rat zur Seite und unterstützen dich bei allen Anliegen.

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