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Selbstvertretung: Rechte und Grenzen Ohne Anwalt vor Gericht: So verteidigst du dich selbst

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Gerade bei kleineren juristischen Problemen fragen sich viele Beteiligte, ob es überhaupt notwendig ist, einen Anwalt zu beauftragen.

von KLUGO
29.06.2020
7 Min Lesezeit

Ohne Anwalt vor Gericht Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn dir die finanziellen Mittel fehlen, ist die Prozesskostenhilfe im Zivilprozess besser geeignet, als ohne Anwalt vor Gericht zu gehen.

  • Im Strafprozess kann es sein, dass ein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt: Hier solltest du in einer telefonischen Erstberatung mit einem Anwalt deine Optionen prüfen.

  • Falls du dich selbst verteidigst, informiere dich umfassend über Ablauf und Gepflogenheiten vor Gericht.

Ist eine Verteidigung vor Gericht ohne Anwalt möglich?

Die Suche nach einem Anwalt beginnt in der Regel spätestens dann, wenn es um eine Vertretung vor Gericht geht. Erhalten Beteiligte zum Beispiel eine Vorladung, einen Anhörungsbogen oder sogar einen Strafbefehl bzw. eine Anklageschrift, dann ist juristischer Rat gefragt. Allerdings stellt sich in diesem Rahmen auch die Frage, ob es nicht auch möglich, sich bei dem Gerichtsverfahren selbst zu vertreten.

Grundsätzlich ist es zulässig, dass die Prozessbeteiligten auch ohne Anwalt vor Gericht agieren. Dies ist sowohl auf dem Gebiet des Strafrechts, als auch im Zivilrecht und im öffentlichen Recht möglich. Allerdings hat der Gesetzgeber dafür Grenzen gesetzt: Diese dienen zum einen dem Schutz der Beteiligten und zum anderen der Wahrung eines ordnungsgemäßen Verfahrens.

Wann gilt Anwaltszwang?

Ein Gerichtsverfahren ohne Anwalt ist überall dort möglich, wo sich aus dem Gesetz kein Anwaltszwang ergibt. Dort, wo ein Rechtsanwalt zwingend vorgesehen ist, können bestimmte Rechtshandlungen auch nur durch diesen vorgenommen werden. Ist dies nicht der Fall, sind diese rechtlich unwirksam und werden vom Gericht nicht zur Kenntnis genommen.

Aus § 78 der Zivilprozessordnung (kurz: ZPO) ergibt sich explizit, dass bei Verfahren vor dem Land- bzw. Oberlandesgericht eine Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt zwingend ist. Dies gilt im Zivilrecht gleichermaßen für alle Verfahren vor dem Bundesgerichtshof. Ebenfalls Anwaltszwang herrscht bei allen Verfahren vor dem Familiengericht: Nach § 114 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (kurz: FamFG). Hier ist eine Gerichtsverhandlung ohne Anwalt nicht möglich.

Ebenfalls besteht im Strafprozess die Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen. Aber auch hier ist zwingend dann ein Anwalt vorgesehen, wenn der Tatvorwurf mehr umfasst als ein Vergehen: Straftaten, die der Gesetzgeber mit einer Mindeststrafe von mindestens einem Jahr Freiheitsentzug belegt, gelten als Verbrechen und erfordern die Vertretung durch einen Anwalt vor Gericht. Diese sogenannte notwendige Verteidigung ist in § 140 der Strafprozessordnung (kurz: StPO) geregelt und sieht vor, dass gegen den Angeklagten nur dann verhandelt werden darf, wenn dieser einen Verteidiger hat.

Ein Verstoß gegen den Anwaltszwang kann im schlechtesten Fall ausschlaggebend dafür sein, den gesamten Prozess zu verlieren.

Worauf sollte ich achten, wenn ich mich selbst verteidigen möchte?

In den Fällen, in denen die Gerichtsverhandlung ohne Anwalt ablaufen kann, ist es dringend notwendig, sich schon vorab mit den Gepflogenheiten vor Gericht zu beschäftigen. Dazu gehört auch das Wissen, wie das Verfahren abläuft und wie man sich vor Gericht verhalten muss – hier solltest du vermeiden, durch Ihr Verhalten negativ aufzufallen, denn auch das kann Ihnen im Zweifelsfall zum Nachteil ausgelegt werden.

Beachte daneben folgendes, wenn du ohne Anwalt vor Gericht gehst:

  • Zuhören – dies gilt sowohl in Bezug auf den Richter als auch in Bezug auf alle anderen Prozessbeteiligten.

  • Sachlich bleiben – das Gericht urteilt aufgrund von Fakten, dies solltest du bei deinem Vortrag zur Sache im Hinterkopf behalten.

  • Höflich bleiben – als Institution der Jurisdiktion solltest du dem Gericht eine gewisse Grundhöflichkeit entgegenbringen.

  • Dokumente vorbereiten – ggf. musst du Unterlagen einreichen, diese solltest du vorbereiten und auf Richtigkeit hin überprüfen.

  • Emotionen ausblenden – diese führen häufig zu Fehlern, die sich im weiteren Verfahren nicht mehr korrigieren lassen.

Macht es Sinn, sich selbst vor Gericht zu verteidigen?

Der Verzicht auf einen Rechtsanwalt erfolgt häufig aufgrund finanzieller Überlegungen. Dabei solltest du aber bedenken, dass die fehlende anwaltliche Unterstützung auch viele Nachteile mit sich bringt. Eine falsche Entscheidung kann sich dabei fatal auswirken – und abhängig vom konkreten Rechtsproblem verheerende Folgen nach sich ziehen.

In jedem Fall ist es empfehlenswert, sich fachlichen Rat einzuholen, auch wenn es darum geht, ob überhaupt rechtliche Schritte notwendig sind. KLUGO bietet dir hier maßgeschneiderte Beratungspakete: Diese reichen von einer ersten Orientierung bis hin zu einer telefonischen Erstberatung.

Dein Vorteil mit KLUGO: Mit unserer Online-Plattform ermöglichen wir dir jederzeit den Zugang zu deinem Recht – ganz unkompliziert und wenn du möchtest auch sofort. Ganz ortsunabhängig kannst du so zusammen mit einem erfahrenen Anwalt im Rahmen der Erstberatung herausfinden, ob wirklich Handlungsbedarf besteht und welche Optionen dir in deiner Situation grundsätzlich offenstehen.

KLUGO Tipp:

Eine telefonische Erstberatung hilft dir bei der Einschätzung deines eigenen Rechtsproblems. Im Anschluss entscheidest du selbst, ob du einen Anwalt beauftragen möchtest – oder sogar musst.

Was ist, wenn ich mir einen Rechtsanwalt nicht leisten kann?

Die finanzielle Seite einer Beratung durch einen Rechtsanwalt sorgt oft dafür, dass Prozessbeteiligte den Gang zum Anwalt scheuen. Allerdings ist der Verzicht auf einen Anwalt auch bei schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht empfehlenswert. Der Gesetzgeber hat in diesen Fällen durch die Prozesskostenhilfe eine Möglichkeit geschaffen, auch einkommensschwachen Personen ein Gerichtsverfahren zu ermöglichen. Damit ist sichergestellt, dass niemand aufgrund von finanziellen Umständen auf eigene Rechte verzichten muss.

§ 114 ZPO Prozesskostenhilfe

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe.

Im Strafrecht gibt es die Prozesskostenhilfe nicht. Hier besteht aber die Möglichkeit, dass durch das Gericht ein Pflichtverteidiger nach § 140 StPO bestellt wird. Dieses richtet sich aber nicht nach den finanziellen Verhältnissen des Angeklagten, sondern nach der Schwere der im Raum stehenden Straftat.

Der einer Straftat Beschuldigte, der sich keinen Rechtsanwalt leisten kann und auch keine Möglichkeit hat, das Geld für eine Vertretung aufzubringen, muss bei leichter bis mittlerer Kriminalität auf einen Anwalt verzichten und sich vor Gericht selbst verteidigen.

Die wichtigsten Gründe für einen Pflichtverteidiger sind nach § 140 StPO:

  • Die Hauptverhandlung in erster Instanz findet vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht statt.

  • Der Angeklagte muss durch das Verfahren mit einem Berufsverbot rechnen.

  • Es wird ein Sicherungsverfahren durchgeführt.

  • Der bisher tätige Verteidiger ist durch eine Entscheidung vom weiteren Verfahren ausgeschlossen.

  • Dem Beschuldigten wird ein Verbrechen zur Last gelegt.

Können sich mehrere Prozessbeteiligte einen Anwalt teilen?

Nur in wenigen Fällen ist es möglich, dass sich Prozessbeteiligte einen Anwalt teilen – und damit auch die Kosten, die im Rahmen der Rechtsberatung entstehen.

Ein gemeinsamer Anwalt ist immer dann eine Alternative, wenn es sich um eine einvernehmliche Scheidung handelt. Das setzt allerdings voraus, dass die Ehepartner in wesentlichen Punkten bei der Scheidung einig sind. Sie können dann die Scheidungskosten reduzieren, indem sie nur einen Scheidungsanwalt beauftragen, der dann den Scheidungsantrag beim zuständigen Familiengericht einreicht.

Ebenfalls kann bei der Erbengemeinschaft ein Rechtsanwalt bei der sogenannten Auseinandersetzung tätig werden. Hier teilen sich die Miterben dann die Kosten für den Anwalt, der in diesem Fall regelmäßig als Vermittler gefragt ist, um bei den mitunter konfliktbehafteten Beziehungen der Miterben untereinander mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Solltest du dir unsicher sein, ob du dich vor Gericht selbst verteidigen oder doch Unterstützung von einem erfahrenen Anwalt suchen solltest, kannst du in einer telefonischen Erstberatung Sicherheit erhalten. Hier kannst du direkt mit einem erfahrenen Fachanwalt sprechen und deine nächsten Schritte besser abwägen.

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