Mann im Rollstuhl im Büro

Arbeitsrecht Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer

Auf dieser Seite

Die deutsche Gesetzgebung sorgt dafür, dass Menschen mit Schwerbehinderung gleichberechtigt am Arbeitsleben teilhaben können. Wenn du schwerbehindert bist oder als gleichgestellt giltst, hast du besondere Rechte in deinem Job. Nutze sie! Hier findest du alle wichtigen Infos, die für dich als schwerbehinderte oder gleichgestellte Person relevant sind.

von KLUGO
29.04.2020
7 Min Lesezeit

Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer Das Wichtigste in Kürze

  • Als „schwerbehindert“ gilt, wer einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 oder mehr hat.

  • Wer schwerbehindert ist, genießt besonderen Kündigungsschutz.

  • Bei einer Kündigung muss in der Regel das Integrationsamt mit einbezogen werden.

  • Wer einen Behinderungsgrad zwischen 30 und 50 hat, kann eine Gleichstellung beantragen.

  • Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitenden sind verpflichtet, einen bestimmten Anteil ihrer Stellen an schwerbehinderte Personen zu vergeben.

  • In einem Bewerbungsgespräch musst du keine Angaben zu einer Behinderung machen.

Ab wann gilt man als „schwerbehindert“?

Der Begriff „schwerbehindert“ bezieht sich auf eine dauerhafte Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Fähigkeiten. Sie verursacht eine erhebliche Einschränkung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. In Deutschland gilt man gemäß § 2 Abs. 2 Neuntes Sozialgesetzbuch (SGB IX) als schwerbehindert, wenn man einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 aufweist.

Der Grad der Behinderung wird von einem medizinischen Gutachter festgestellt und basiert auf einer ärztlichen Untersuchung. Der Umfang der Behinderung wird in Zehnergraden von 20 bis 100 beschrieben.

Es gibt verschiedene Arten einer Behinderung, darunter:

  • Innere Erkrankungen: z. B. Diabetes oder Mukoviszidose, die die Betroffenen mittel- oder langfristig daran hindern, am gesellschaftlichen oder beruflichen Leben teilzunehmen

  • Körperliche Behinderung: die häufigsten Formen sind Schädigungen des Zentralnervensystems und des Skelettsystems

  • Geistige Behinderung: z. B. Verzögerung der kognitiven Entwicklung

  • Sinnesbehinderung: z. B. Einschränkungen des Hör- oder Sehsinns

  • Mehrfachbehinderung: Kombination von mehreren Arten von Behinderungen

KLUGO Tipp:

Eine Tabelle mit allen gesetzlich anerkannten Erkrankungen zum jeweiligem GdB, findenst du in der Versorgungsmedizin-Verordnung.

Hast du einen Grad der Behinderung von mindestens 50, kannst du einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Dieser Ausweis bietet verschiedene Vorteile, wie z. B. Vergünstigungen bei der Steuerzahlung, Zuschüsse für den Autokauf, Sonderkonditionen bei Versicherungsabschlüssen und eine bevorzugte Behandlung bei der Wohnungsvergabe.

Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für schwerbehinderte Arbeitnehmer?

Arbeitnehmer dürfen aufgrund ihrer Behinderung in einem Unternehmen nicht benachteiligt werden. Das ist in Artikel 3 Abs. 3 des Deutschen Grundgesetzes (GG) verankert.

Artikel 3 Abs. 3 GG

Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

Genauer geregelt werden die Pflichten des Arbeitgebers und die Rechte eines schwerbehinderten Arbeitnehmers in § 164 SGB IX festgehalten. Des Weiteren verbietet das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) die Diskriminierung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Behinderung. Vom Schutz des AGG sind chronische Erkrankungen betroffen, die die gesellschaftliche Teilhabe von betroffenen Personen beeinträchtigt.

Gleichstellung für Menschen mit Behinderung

Menschen mit Schwerbehinderung haben besondere Rechte, um am Arbeitsleben teilzuhaben und eine für sie passende Arbeit ausüben zu können. Die Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen gibt auch Personen mit einem geringeren Grad der Behinderung die Möglichkeit, diese Rechte zu nutzen. Voraussetzung für die Gleichstellung ist ein Behinderungsgrad von mindestens 30, aber unter 50.

Ziel der Gleichstellung ist es, Nachteile auf dem Arbeitsmarkt auszugleichen und betroffenen Personen zu helfen, eine passende Beschäftigung zu finden oder zu erhalten.

Haben Arbeitgeber eine Pflicht, Arbeitnehmer mit Behinderung einzustellen?

Ja, diese Pflicht gilt für Arbeitgeber mit mindestens 20 Angestellten. Laut § 154 Absatz 1 SGB IX sind Arbeitgeber mit 20 bis 40 Angestellten verpflichtet, eine schwerbehinderte Person einzustellen. Bei 40 bis 60 Angestellten müssen sie zwei schwerbehinderte Menschen beschäftigen. Ausbildungsplätze zählen dabei nicht zu den Arbeitsplätzen. Mehrere Firmen des gleichen Arbeitgebers werden als Einheit betrachtet.

Erfüllt ein Arbeitgeber diese Verpflichtung nicht, muss er für jeden unbesetzten Arbeitsplatz eine Strafe zahlen. Diese Strafe, auch Ausgleichsabgabe genannt, ist in § 160 SGB IX gesetzlich geregelt.

§ 160 SGB IX - Ausgleichsabgabe

(1) Solange Arbeitgeber die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, entrichten sie für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen eine Ausgleichsabgabe. Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf. Die Ausgleichsabgabe wird auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt.

(2) Die Ausgleichsabgabe beträgt je unbesetztem Pflichtarbeitsplatz

  1. 125 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 3 Prozent bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz,

  2. 220 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von 2 Prozent bis weniger als 3 Prozent,

  3. 320 Euro bei einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote von weniger als 2 Prozent.

Rechte schwerbehinderter Bewerber im Bewerbungsgespräch

Schwerbehinderte Menschen haben im Bewerbungsverfahren bestimmte Rechte. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass das Bewerbungsgespräch barrierefrei ist und Hilfsmittel bereitgestellt werden, wenn nötig. Sie dürfen Bewerber aufgrund der Behinderung nicht diskriminieren und müssen diese bei gleicher Eignung bevorzugt einstellen.

Erhält ein Arbeitgeber eine Bewerbung, muss er die Schwerbehindertenvertretung und die betriebliche Interessenvertretung informieren. Öffentliche Arbeitgeber müssen schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, es sei denn, die fachliche Eignung fehlt eindeutig.

Schwerbehinderte Menschen sind nicht verpflichtet, ihre Behinderung im Bewerbungsgespräch zu erwähnen. Wenn jedoch die Einstellung gezielt gefördert wird, kann die Erwähnung der Behinderung von Vorteil sein.

Rechte schwerbehinderter Arbeitnehmer während der Beschäftigung

Schwerbehinderte Arbeitnehmer haben während ihrer Beschäftigung besondere Rechte, wie z. B. einen erweiterten Kündigungsschutz und Zugang zu Förderungen des Integrationsamtes.

Zusätzlich stehen ihnen gemäß § 208 SGB IX fünf Tage bezahlter Urlaub pro Jahr zu. Diese zusätzlichen Urlaubstage werden anteilig und je nach wöchentlicher Arbeitszeit berechnet. Gleichgestellte Arbeitnehmer haben keinen Anspruch auf zusätzlichen Urlaub.

Nach § 207 SGB IX dürfen Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung Überstunden verweigern. Überstunden sind Arbeitszeiten, die über die gesetzlichen acht Stunden pro Tag hinausgehen.

Zudem haben schwerbehinderte Arbeitnehmer das Recht auf einen Arbeitsplatz, der ihren Bedürfnissen entspricht. Der Arbeitsplatz muss so gestaltet sein, dass er optimal genutzt werden kann, z. B. durch den Einbau technischer Hilfsmittel.

Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmer: Was du wissen musst

Schwerbehinderte Arbeitnehmer genießen einen besonderen Kündigungsschutz. Bevor der Arbeitgeber kündigt, muss er gemäß § 168 SGB IX die Zustimmung des Integrationsamtes einholen.

Wird eine Kündigung ohne diese Zustimmung ausgesprochen, ist sie unwirksam – auch wenn der Kündigungsgrund rechtlich korrekt wäre. Der Verstoß gegen das Verfahren macht die Kündigung ungültig.

In bestimmten Fällen kann eine Kündigung jedoch auch ohne Zustimmung des Integrationsamtes wirksam sein:

  • Der Arbeitnehmer kündigt selbst.

  • Die Kündigung erfolgt einvernehmlich.

  • Die Kündigung erfolgt innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses.

  • Der Arbeitnehmer hat das 58. Lebensjahr vollendet und Anspruch auf eine Abfindung.

Weitere Ausnahmen sind in § 173 SGB IX geregelt.

Arbeitnehmer mit einem Behinderungsgrad von mindestens 30, die als gleichgestellt anerkannt sind, genießen ebenfalls besonderen Kündigungsschutz. Dieser Schutz kann auf Antrag gewährt werden, wenn die Person aufgrund ihrer Behinderung schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Der Kündigungsschutz gilt auch dann, wenn der Antrag auf Gleichstellung noch nicht entschieden wurde, solange der Antrag mindestens drei Wochen vor der Kündigung gestellt wurde und der Arbeitnehmer ohne Beanstandungen mitgewirkt hat.

Bei rechtlichen Fragen zum Thema Kündigung helfen wir dir gerne im Rahmen einer unverbindlichen Erstberatung weiter. Unsere kompetenten KLUGO Partner-Anwälte und Rechtsexperten für Arbeitsrecht stehen dir dabei mit juristischem Rat zur Seite und unterstützen dich bei allen Anliegen.

Das könnte dich auch interessieren

Über unsere Autoren Weil uns dein Recht
am Herzen liegt

Wir verfassen unsere Artikel, Ratgeber und Glossare unter sorgsamer Recherche. Dafür arbeiten wir als KLUGO mit einem Team aus Textern, Rechtsexperten und Volljuristen. In regelmäßigen Abständen überprüfen wir unsere Texte auf Aktualität, damit du dich auf uns verlassen kannst.

mann mit brille schaut in die kamera