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Abgasskandal & VW-Skandal: Alles auf einen Blick

STAND 26.06.2023 | LESEZEIT 19 MIN

Der Abgasskandal sorgte weltweit für Empörung. Die Fahrzeuge zahlreicher Hersteller stoßen im realen Straßenverkehr deutlich mehr Emissionen aus als angegeben. Sollte Ihr Fahrzeug eine Abschaltvorrichtung aufweisen, könnte durch die EuGH Entscheidung ein Anspruch auf Schadensersatz bestehen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Zahlreiche Menschen in Deutschland sind vom Abgasskandal betroffen.
  • Vor Gericht herrschte lange Zeit Unklarheit darüber, welche Ansprüche sich aus dem Skandal ergeben.
  • Nach dem verbraucherfreundlichen Urteil durch den EuGH ist klar: Grundsätzlich sind Schadensersatzforderungen zulässig. Die Erfolgsaussicht sollte jedoch im Einzelfall abgewogen werden.
  • Die KLUGO Rechtsexperten und Partner-Anwälte helfen Ihnen dabei, Ihre Ansprüche geltend zu machen.

Worum ging es beim Dieselskandal?

Alles begann mit VW – durch eine Veröffentlichung der US-Umweltbehörde kam ans Licht, dass mehrere Dieselfahrzeuge des Herstellers mit einer manipulierten Software ausgestattet wurden. Diese Software verändert den Stickoxid-Ausstoß des Kraftfahrzeuges im Testzyklus des Genehmigungsverfahrens, um so die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten. Diese Funktion wurde im normalen Straßenverkehr abgeschaltet. Der Clou dahinter: Die Abgas-Software, die in einigen VW-Fahrzeugen eingesetzt wurde, bemerkt, wenn sich ein Auto auf dem Prüfstand befindet oder hat eine Funktion inkludiert, die für die Zeit der Prüfung den Abgaswert heruntersetzt.

Der Clou dahinter: Die Abgas-Software, die in einigen VW-Fahrzeugen eingesetzt wurde, bemerkt, wenn sich ein Auto auf dem Prüfstand befindet oder hat eine Funktion inkludiert, die für die Zeit der Prüfung den Abgaswert heruntersetzt.

So konnten die angegebenen Abgaswerte zwar auf dem Prüfstand eingehalten werden, nicht aber im tatsächlichen Straßenverkehr. Im November 2015 räumte VW ein, auch Testabläufe und Fahrzeuge manipuliert zu haben, um CO₂-Ausstoß und Spritverbrauch zu schönen.

Im Verlauf des Dieselskandals stellte sich heraus, dass nicht nur die Fahrzeuge von VW vom Skandal betroffen waren, sondern auch Fahrzeuge weiterer Hersteller möglicherweise unzulässige Abschaltvorrichtungen aufweisen. Es scheint, als hätten zahlreiche Autokonzerne Abgaswerte angegeben, die im realen Straßenverkehr nicht eingehalten werden können.

Welche neuen Urteile haben die Chancen für eine erfolgreiche Klage erhöht?

Häufig wurden die Verhandlungen zu Klagen wegen des Abgasskandals durch niedrige Instanzgerichte entschieden – nicht selten zum Nachteil des Klägers, also der Betroffenen. Die unterschiedlichen Urteile haben die Verwirrung seitens der Kläger noch zusätzlich gesteigert. Daher hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) ein richtungsweisendes Urteil gesprochen, das die Verbraucherrechte stärkt. An diesem Urteil hat sich nun auch der BGH orientiert, um Leitlinien für niedrigere Instanzen zu definieren– zugunsten der Autokäufer.

Thermofenster

Der Europäische Gerichtshof entschied, dass die Käufer eines Dieselfahrzeuges mit illegaler Abschalteinrichtung einen Anspruch auf Schadensersatz beim Hersteller geltend machen können. Dies soll künftig auch einfacher geschehen, als es bisher der Fall war. Bei der Argumentation eröffnet der EuGH die Möglichkeit, dass ein Schadensersatzanspruch nicht erst bei einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung geltend gemacht werden kann, sondern schon bei einer einfachen Fahrlässigkeit (Urteil vom 21.03.2023, Az.: C-100/21).

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Zwar stärkt das Urteil des EuGH zum Thermofenster die Verbraucherrechte. Allerdings ermöglicht es nicht zwangsläufig auch eine Rückabwicklung oder Schadensersatzforderung. Hierfür muss jeder Fall einzeln geprüft werden, um so herauszufinden, ob wirklich ein unzulässiges Thermofenster im Auto verbaut wurde.

Gebrauchtwagen

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat geurteilt, dass auch für Gebrauchtwagen eine Schadensersatzforderung möglich ist – allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen. Wurde der Gebrauchtwagen bei einem Händler gekauft, so kann binnen eines Jahres von der Sachmängelhaftung Gebrauch gemacht werden. Bei einem Neuwagenkauf liegt die Sachmängelhaftung bei zwei Jahren.

Etwas problematischer ist es, wenn der Gebrauchtwagen von einer Privatperson gekauft wurde. Privatpersonen sind gesetzlich von der Sachmängelhaftung ausgeschlossen, sodass sie hier keine Ansprüche geltend machen können. Dennoch stehen Sie der Situation nicht gänzlich machtlos gegenüber. Kontaktieren Sie den Verkäufer des Kraftfahrzeuges und lassen Sie sich die noch bestehenden Ansprüche gegen Händler und Hersteller schriftlich übertragen. So können Sie auch im Falle eines Privatkaufs noch gegen Händler bzw. Hersteller des Kraftfahrzeuges vorgehen.

Welche Fahrzeuge sind betroffen?

Mindestens 2,4 Millionen VW-Dieselfahrzeuge sind in Deutschland in den VW-Skandal involviert, weltweit sogar elf Millionen. Obgleich sich keine genauen Zahlen nennen lassen, geht man europaweit von vermehrten Todesfällen durch die erhöhten Emissionswerte aus.

Vom Abgasskandal betroffene Autos sind insbesondere Fahrzeuge, die mit einem EA189-Motor ausgestattet wurden – also Modelle des Herstellers Volkswagen und dessen Tochtergesellschaften Seat, Skoda, Porsche und Audi. Auch einige Mercedes-Modelle des Herstellers Daimler und VW-Fahrzeuge mit einem größeren EA897-Motor sind betroffen.

Möchten Sie prüfen, ob Sie vom Abgasskandal betroffen sind? Auf den Internetseiten der Hersteller können Sie Ihre Fahrgestellnummer eingeben und dort abfragen, ob Ihr Fahrzeug betroffen ist. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs könnte sich der Kreis betroffener Fahrzeuge zudem erweitern. Dafür muss aber jedes Auto einzeln auf mögliche Abschalteinrichtungen untersucht werden.

Sonderfall: Wohnmobile und Transporter

Ferner wurde zwischenzeitlich bekannt, dass nicht nur Personenkraftwagen vom Abgasskandal betroffen sind, sondern auch Wohnmobile und Tiertransporter. Hierbei geht es vor allem um die Modelle von VW und Mercedes, aber auch Fiat und Iveco. Zudem werden die Motoren dieser Hersteller auch in vielen Drittanbieter-Wohnmobilen verwendet. Prüfen Sie also, ob Ihr Motor der Euro-Klasse 5 oder 6 entspricht und von Fiat, Iveco, Mercedes, Citroën oder Ford stammt – möglicherweise sind Sie vom Dieselskandal betroffen.

Welche Rechte haben Betroffene?

Nach dem neuerlichen Urteil des EuGH haben Betroffene bessere Chancen auf eine Entschädigung. Die Schadensersatzansprüche, die nun eine rechtliche Grundlage erhalten haben, können auf mehrere Arten durchgesetzt werden:

  1. Vertrauensschadenszahlung und Fahrzeug behalten: Sie behalten trotz Abgasskandal Ihr Fahrzeug, aber müssen den Wertverlust natürlich nicht ohne weiteres hinnehmen. Die Entschädigungszahlung, die Sie für den Wertverlust erhalten, beträgt ungefähr 10 % des ursprünglichen Kaufpreises.
  2. Ersatzfahrzeug: Sofern der Kauf des Neuwagens nicht länger als zwei Jahre zurückliegt bzw. der Kauf des Gebrauchtwagens nicht länger als ein Jahr zurückliegt, können Sie von der Sachmängelhaftung Gebrauch machen. Dabei geben Sie Ihr bisheriges Fahrzeug mit Abgasskandal zurück und erhalten stattdessen ein gleichwertiges Fahrzeug ohne Mängel. Die Forderungen müssen dabei gegenüber dem Händler – nicht dem Hersteller – geltend machen. Auch diese Herangehensweise ist zwar in der Theorie möglich, lässt sich aber in der Praxis häufig nur sehr schwer rechtlich umsetzen.
  3. Software-Update: Viele Fahrzeuge waren längst von der Rückrufaktion betroffen, die ein verpflichtendes Software-Update mit sich brachte. Das Nachrüsten des Fahrzeuges soll den Mangel beseitigen.

Weitere mögliche Rechtswege:

  1. Klage gegen VW & Co. auf Schadensersatz im Dieselskandal nach dem Deliktsrecht gemäß § 826 BGB
  2. Rücktritt vom Autokredit durch den Widerrufsjoker im Abgasskandal gemäß § 312 BGB und § 355 BGB. Ob dies möglich ist, hängt allerdings von der vereinbarten Vertragsklausel ab. Und der Käufer hat dabei eine Vorleistungspflicht. Das heißt, er muss das Fahrzeug zurückgeben, bevor er Ansprüche geltend machen kann. Prüfen Sie daher den Kaufvertrag gründlich oder nutzen Sie dafür die Unterstützung eines Fachanwalts für Verkehrsrecht.
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Nehmen Sie auch einen Neuwagen betroffener Marken nur unter Vorbehalt an. Kommt es erneut zu einem Abgasskandal, können Sie mögliche Sachmängelrechte wegen erhöhter Abgas- oder Verbrauchswerte schneller und einfacher geltend machen.

Haben Sie das manipulierte Fahrzeug bereits weiterverkauft, besteht dennoch ein Anspruch auf Schadensersatz – das hat der Bundesgerichtshof eindeutig in einem Urteil festgelegt. Sofern die Ansprüche noch nicht verjährt sind, können Sie also auch in einem solchen Fall noch Schadensersatz vom Hersteller verlangen.

Welche Fristen gibt es?

Die Verjährungsfrist beginnt zum Ende des Jahres, in dem der Dieselskandal aufgedeckt wurde – unterschiedlich von Hersteller zu Hersteller also. Wer von der Sachmängelhaftung Gebrauch machen möchte, muss dies bei Neuwagen innerhalb der gesetzlichen Frist von 2 Jahren bzw. bei Gebrauchtwagen innerhalb einer Frist von einem Jahr tun. Danach sind die Ansprüche verjährt.

Für Schadensersatzansprüche gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren, binnen derer die Ansprüche geltend gemacht werden müssen. Viele Betroffene haben aber zusätzlich die Möglichkeit, gemäß § 852 BGB den sogenannten Restschadensersatz geltend zu machen. Dieser Anspruch kann binnen einer Frist von 10 Jahren nach Kauf des Fahrzeugs geltend gemacht werden.

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Der Bundesgerichtshof entschied im Jahr 2020, dass die Ansprüche für die Autos von VW, Audi, Seat und Skoda mit Motortyp EA189, bei denen der Dieselskandal schon im Jahr 2015 aufgedeckt wurde, keine Ansprüche mehr geltend machen können. Es lohnt sich aber, den Anspruch auf einen möglichen Restschadensersatz zu prüfen.

Sollte man nur klagen, wenn man eine Rechtsschutzversicherung hat?

Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Verfügen Sie über eine Rechtsschutzversicherung, so können Sie nach Einholung einer Deckungszusage bedenkenlos gegen die Hersteller klagen – alle damit einhergehenden Kosten werden von Ihrer Versicherung übernommen.

Haben Sie keine Rechtsschutzversicherung, so müssen Sie alle anfallenden Kosten zunächst selbst tragen. Gehen Sie als Gewinner aus dem Prozess hervor, so werden alle Kosten an den Verlierer der Klage übertragen – in diesem Fall also Händler oder Hersteller des Kraftfahrzeuges. Dennoch können im Vorfeld einige Kosten auf Sie zukommen. Neben Prozesskosten und Anwaltskosten fallen möglicherweise auch Kosten für Gutachten und Zeugenaussagen an.

Dennoch ist nach dem neueren Urteil seitens EuGH klar, dass die Verbraucherrechte im Dieselskandal gestärkt wurden. Insofern stehen die Erfolgsaussichten im Falle einer Klage deutlich besser als zuvor.

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Ermitteln Sie im Vorfeld mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht, wie hoch die zu erwartende Entschädigungssumme ausfällt. Im Anschluss entscheiden Sie, ob sich eine Klage im Abgasskandal für Sie lohnt.

Wie hilft Ihnen ein KLUGO Partner-Anwalt weiter?

Trotz des eindeutigen Urteils durch den Europäischen Gerichtshof bleibt der Dieselskandal ein sehr komplexes Thema. Immer mehr Fahrzeuge scheinen betroffen – und auch die Ansprüche für Betroffene waren lange Zeit unklar. Dennoch müssen Sie den Wertverlust Ihres Kraftfahrzeuges nicht einfach hinnehmen. Prüfen Sie zunächst mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht, welche rechtlichen Ansprüche im Hinblick auf eine mögliche Verjährung gegeben sind. Befinden Sie sich noch innerhalb der Fristen, können Sie im Anschluss gemeinsam mit dem Fachanwalt für Verkehrsrecht die zu erwartende Schadensersatzsumme ermitteln. Dann entscheiden Sie, ob Sie den Klageweg im Abgasskandal beschreiten oder möglicherweise von einer anderen Option Gebrauch machen möchten. Auch hier beraten Sie Fachanwälte – denn jeder Fall ist einzigartig.

Nutzen Sie für eine erste Einschätzung zum Sachverhalt die telefonische Erstberatung von KLUGO. Wir verbinden Sie mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht, um einen Blick auf Ihren Fall zu werfen. Im Anschluss entscheiden Sie selbst, ob Sie die weitere Beratung durch einen Rechtsexperten wünschen und ggf. Klage einreichen oder eine andere Option nutzen möchten.

FAQ - Abgasskandal

Ihr Schadensersatzanspruch besteht auch dann, wenn Sie das Kraftfahrzeug bereits weiterverkauft haben. Der mit dem Abgasskandal einhergehende Wertverlust hat den Preis, den Sie für das Fahrzeug verlangen konnten, gesenkt. Ohne Skandal wäre die Verkaufssumme vermutlich höher ausgefallen. Daher besteht hier ein Anspruch auf Schadensersatz – auch laut eines Urteils des Bundesgerichtshofs.

Haben Sie den Gebrauchtwagen über einen Händler gekauft, so steht Ihnen auch jetzt eine Entschädigungszahlung zu. Etwas anders sieht es aus, wenn Sie den Wagen von einer Privatperson gekauft haben – hier ist die Sachmängelhaftung ausgeschlossen. Sie können sich jedoch die Ansprüche, die der Käufer des Fahrzeuges gegenüber dem Hersteller hat, übertragen lassen und diese geltend machen.

Schadensersatzansprüche machen Sie gegenüber dem Hersteller geltend. Möchten Sie das Fahrzeug zurückgeben und die Kaufsumme erstattet haben bzw. ein mängelfreies Ersatzfahrzeug erhalten, machen Sie diesen Anspruch binnen der Gewährleistungsfrist direkt beim Händler geltend.

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Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.

Beitrag juristisch geprüft von der KLUGO-Redaktion

Der Beitrag wurde mit großer Sorgfalt von der KLUGO-Redaktion erstellt und juristisch geprüft. Dazu ergänzen wir unseren Ratgeber mit wertvollen Tipps direkt vom Experten: Unsere spezialisierten Partner-Anwälte zeigen auf, worauf es beim jeweiligen Thema ankommt.