Für behinderte Kinder tragen Eltern eine besondere Verantwortung finanzieller und auch persönlicher Art. Diese muss auch nach dem Tod der Eltern gewährleistet sein. Mit einem Behindertentestament ist es möglich, für die behinderten Kinder eine stabile Zukunft sicherzustellen.
Das Behindertentestament ist ein Testament, das speziell von den Eltern behinderter Kinder verfasst wird. Juristisch ist also mindestens ein Erbe so schwer geistig oder körperlich eingeschränkt, dass er als behindert gilt. Unwichtig ist in diesem Zusammenhang der Schweregrad der Behinderung: Das Behindertentestament berücksichtigt Erben mit geringfügiger Behinderung genauso wie Erben mit schwerster Behinderung und eventueller Pflegebedürftigkeit.
Eine Behinderung wird dabei gesetzlich durch § 2 Sozialgesetzbuch Abs. (1) 9. Buch (kurz: SGB IX) festgelegt.
Ein Behindertentestament soll den behinderten Erben vor Nachteilen schützen, die sich aus dem Umstand ergeben, dass ein Vermögen von den Erblassern vererbt wird. Dieser kann sich beispielsweise daraus ergeben, dass ein Mensch mit Behinderung auf Pflege angewiesen ist und dementsprechend kontinuierlich Kosten anfallen. Unabhängig davon, ob die Pflege in der eigenen häuslichen Umgebung erfolgt oder aber in einer speziellen Einrichtung: Die Kosten für einen Menschen mit Behinderung können sehr schnell äußerst hoch sein.
Erbt jemand mit Behinderung ein fassbares Vermögen, dann ist dieser grundsätzlich dazu verpflichtet, dieses Vermögen für seine Pflege und seinen Unterhalt zu verwenden. Dies wird unter anderem durch das sogenannte Nachrangprinzip in § 2 SGB XII festgelegt. In der Regel geht das Vermögen dann an den Staat, sodass der Mensch mit Behinderung keinerlei finanzielle Vorteile durch das Erbe hat.
Das Behindertentestament soll verhindern, dass der Erbe mit Behinderung die Vorteile verliert, die eigentlich mit einer Erbschaft einhergehen. Heim- und Pflegekosten können das Erbe in sehr kurzer Zeit aufbrauchen – hier kann ein Behindertentestament rechtswirksam Abhilfe schaffen.
Anstelle der Bezeichnung Behindertentestament hat sich auch die Bezeichnung Sozialhilfefestes Testament eingebürgert.
Wichtig ist beim Behindertentestament der Umstand, dass der behinderte Angehörige als sogenannter Vorerbe eingesetzt wird. Das bedeutet, dass der Vermögensstamm nach dem Tod des Erben mit Behinderung an eine andere Person übergeht.
Das Behindertentestament bietet zahlreiche Vorteile und ist damit in der Regelung des Nachlasses nicht ohne Grund für viele Eltern von behinderten Kindern das Mittel der Wahl.
Vorteile des Behindertentestaments
Den vielen Vorteilen steht realistisch betrachtet kein fassbarer Nachteil entgegen. Das hat sogar der Bundesgerichtshof erkannt. Die Richter in Karlsruhe führen dazu aus:
Mit dem Behindertentestament kommt zum Ausdruck, "dass Eltern auf diese Weise gerade der zuvörderst ihnen zukommenden sittlichen Verantwortung für das Wohl ihres Kindes Rechnung tragen und nicht verpflichtet sind, diese Verantwortung dem Interesse der öffentlichen Hand an einer Teildeckung ihrer Kosten hintanzusetzen".
Damit ist sogar durch die Rechtsprechung sichergestellt, dass ein Behindertentestament die zulässige und notwendige Art der Absicherung für ein behindertes Kind darstellen kann.
Die Regelung für eine Erbschaft über ein Behindertentestament hat bestimmten Formvorschriften zu folgen.
Dazu gehören:
Die genannten Formvorschriften sind nicht nur beim Behindertentestament einschlägig, sondern grundsätzlich auch bei allen anderen Varianten von Testamenten.
Werden die Formvorschriften beim Testament nicht beachtet, kann das im schlechtesten Fall dafür sorgen, dass das Testament keine Rechtswirksamkeit entfaltet.
Ansonsten unterscheidet sich das Behindertentestament, insbesondere durch die inhaltliche Ausgestaltung von einem herkömmlichen Testament. Allerdings kann auch ein Behindertentestament verschiedene Ausformungen aufweisen. Diese können Sie in den folgenden Punkten nachlesen.
In welcher Form das Behindertentestament die künftige Fürsorge für den behinderten Erbe formuliert, kann ganz unterschiedlich sein. In der Mehrzahl der Fälle wird hier aber das Modell der Vor- und Nacherbschaft genutzt. Dabei wird der behinderte Erbe als Vorerbe eingesetzt; zu einem Zeitpunkt, den der Erblasser bestimmt, muss das Erbe an einen Nacherben weitergegeben werden.
Das Modell der Vor- und Nacherbschaft hat den entscheidenden Vorteil, dass das Erbe nicht als Vermögenszuwachs des Vorerben – und damit des behinderten Kindes – gewertet wird und daher dem staatlichen Zugriff entzogen ist.
Bei der Vor- und Nacherbschaft wird zwischen einer befreiten und einer nicht befreiten Vorerbschaft unterschieden. Während der Erbe bei der befreiten Vorerbschaft frei über das Erbe verfügen darf, ist er bei der nicht befreiten Vorerbschaft an die Zustimmung des Nacherben gebunden.
Manchmal ist die Einschränkung des Erben nicht körperlicher Art, sondern ausschließlich geistiger Art. Dann gewinnt die Frage, wie ein mögliches Erbe auf den behinderten Erben übergehen soll, besondere Brisanz. Dem Erblasser steht dann die Option zur Verfügung, dass über einen Testamentsvollstrecker sowohl eine Verwaltung als auch eine Beratung des behinderten Vorerben gewährleistet ist. Der Erblasser kann zudem festlegen, wofür der Testamentsvollstrecker das Erbe des behinderten Vorerben einsetzen darf.
Dazu zählt beispielsweise:
Testamentsvollstrecker kann grundsätzlich jeder sein: Damit können nicht nur Familienangehörige als Berater für den behinderten Erben fungieren, sondern auch ein Rechtsanwalt für Erbrecht oder aber ein Verein.
Bei Unsicherheiten rund um das Behindertentestament sorgt fundierte juristische Expertise für Klarheit. Diese erhalten Sie durch die telefonische Erstberatung von KLUGO. Unsere Partner-Anwälte helfen Ihnen bei der Testamentserstellung und geben wertvolle Hinweise zu möglichen Formulierungen.
Auch ein Behindertentestament ist juristisch eben ein Testament: Damit können sich alle, die ein Behindertentestament aufsetzen möchten, an den Grundsätzen orientieren, die auch für jedes andere Testamentsarten gelten. Die Besonderheiten ergeben sich insbesondere aus den bereits genannten inhaltlichen Gestaltungsoptionen: Um hier rechtswirksam eine umfassende Fürsorge für die behinderten Kinder oder Angehörigen vorzunehmen, empfiehlt sich die Mitwirkung eines erfahrenen Anwalts.
Grundsätzlich ist es natürlich auch möglich, das Behindertentestament in Eigenregie aufzusetzen. Hier besteht dann aber immer das Risiko, dass der Erblasser aufgrund von Formulierungsfehlern nicht die Fürsorge ins Behindertentestament aufnimmt, die eigentlich gewünscht und angemessen ist.
Dann nutzen Sie einfach die KLUGO Erstberatung. Die Erstberatung ist ein Telefongespräch mit einem zertifizierten Anwalt aus unserem Netzwerk.
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