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Neues Einwanderungsgesetz
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Neues Einwanderungsgesetz in Deutschland soll Fachkräfte anwerben

STAND 24.07.2023 | LESEZEIT 4 MIN

Deutschland kämpft schon lange mit einem Fachkräftemangel, der sich bis 2035 auf 7 Millionen Arbeitskräfte ausweiten könnte. Sollte diese Entwicklung eintreten, hätte das für Deutschland unangenehme Folgen. Derzeit zieht es junge Spitzenkräfte eher in die USA oder Kanada. Das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz der Ampelkoalition soll dem entgegenwirken und für Fachkräfte Anreize schaffen, nach Deutschland zu kommen.

Das Wichtigste in Kürze

  • Am 23. Juni 2023 hat der Bundestag das reformierte Einwanderungsgesetz beschlossen.
  • Das neue Einwanderungsgesetz soll es Fachkräften aus Nicht-EU-Ländern ermöglichen, leichter in Deutschland arbeiten zu können.
  • Nach wie vor sieht das Gesetz ein Drei-Säulen-Modell vor – bestehend aus der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule.
  • Zahlreiche weitere Änderungen, zum Beispiel bei der Blauen Karte, der Bildungsmigration und dem Familiennachzug sollen die Einwanderung von Fachkräften vorantreiben.

Was beinhaltet das neue Einwanderungsgesetz in Deutschland?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist am 1. März 2020 in Kraft getreten. Nun wurden zahlreiche Änderungen des Gesetzes beschlossen.

Das neue Einwanderungsgesetz fußt allerdings nach wie vor auf einem Drei-Säulen-Modell:

1. Fachkräftesäule

Die Fachkräftesäule ist speziell darauf ausgerichtet, hoch qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Unter bestimmten Voraussetzungen, wie zum Beispiel einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem akademischen Abschluss, können sie eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen. Das Ziel der Fachkräftesäule ist es, den Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in Deutschland zu decken und gleichzeitig Fachkräften aus Nicht-EU-Staaten attraktive Möglichkeiten zur Einwanderung zu bieten. Dadurch sollen Engpässe auf dem Arbeitsmarkt reduziert und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gestärkt werden.

2. Erfahrungssäule

Zukünftig dürfen ausländische Fachkräfte in nicht reglementierten Berufen in Deutschland arbeiten, auch ohne formale Anerkennung ihres Abschlusses. Voraussetzungen sind mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein staatlich anerkannter Berufsabschluss mit einer Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren. Das führt zu schnelleren und einfacheren Verfahren. Es gibt jedoch eine Gehaltsschwelle oder Tarifbindung, um Niedriglohnsektor-Jobs zu vermeiden. Neu ist auch die Möglichkeit einer Anerkennungspartnerschaft, wenn die Gehaltsschwelle nicht erreicht wird. In diesem Fall können Fachkräfte bereits vom ersten Tag an in Deutschland arbeiten, auch wenn der Abschluss noch nicht anerkannt ist. Das Anerkennungsverfahren soll zügig durchgeführt werden, während die Beschäftigung läuft.

3. Potenzialsäule

Menschen aus Drittstaaten mit einem ausländischen, mindestens zweijährigen Berufsabschluss erhalten eine Chancenkarte und können so vor Ort in Deutschland nach Arbeit suchen. Die Chancenkarte ermöglicht einen Aufenthaltstitel für bis zu einem Jahr mit erlaubter Beschäftigung von bis zu 20 Wochenstunden und einer Probebeschäftigung von bis zu zwei Wochen. Die Auswahl basiert auf einem transparenten Punktesystem, das Qualifikation, Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Deutschlandbezug, Alter und das Potenzial des mitziehenden Partners berücksichtigt. Eine Verlängerung um bis zu zwei Jahre ist möglich, wenn ein Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsplatzangebot vorliegt und die Bundesagentur für Arbeit zustimmt. Mindest-Deutschkenntnisse sind A1, höheres Sprachniveau wird zusätzlich bewertet.

Häufige Fragen zum neuen Einwanderungsgesetz der Ampelkoalition

Im Folgenden haben wir für Sie die am häufigsten gestellten Fragen zum neuen Einwanderungsgesetz gesammelt.

Welche Änderungen gibt es bei der „Blauen Karte“?

Kernstück der Fachkräfteeinwanderung bleibt die „Blaue Karte EU“ für Menschen aus Nicht-EU-Ländern mit Hochschulabschluss. Die bisherigen Gehaltsschwellen werden deutlich gesenkt auf 43.800 Euro brutto jährlich (3650 Euro monatlich), vorher waren es 58.400 Euro. Karteninhaber sollen leichter den Arbeitgeber wechseln, Familien nachholen und dauerhaft in der EU leben können. Fachkräfte dürfen gemäß dem Gesetzentwurf „jede qualifizierte Beschäftigung“ ausüben, auch außerhalb ihrer ursprünglichen Qualifikation. IT-Spezialisten können die „Blaue Karte EU“ auch ohne Hochschulabschluss erhalten, wenn sie andere Qualifikationen nachweisen.

Was für eine Rolle spielt die Berufserfahrung?

Berufserfahrung soll eine bedeutendere Rolle bei der Einreiseberechtigung spielen. Um die Einreise zu ermöglichen, werden mindestens zwei Jahre Berufserfahrung und ein staatlich anerkannter Berufsabschluss im Herkunftsland gefordert. Eine Anerkennung des Abschlusses in Deutschland ist zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig, was den Prozess vereinfacht. Die Person darf aber während des Anerkennungsverfahrens bereits in Deutschland arbeiten. Dafür muss der Arbeitgeber allerdings zusichern, die Arbeitskraft für notwendige Qualifikationen freizustellen.

Was ändert sich bei der Bildungsmigration?

Sie soll gestärkt werden, indem die Möglichkeit geschaffen wird, für eine Berufsausbildung oder ein Studium nach Deutschland zu kommen und anschließend zu bleiben. Hierzu sollen ausländische Studierende die Chance erhalten, als Werkstudenten zu arbeiten. Zusätzlich wird die Suche nach Ausbildungsplätzen erleichtert, indem das Höchstalter für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erhöht wird. Die zulässige Höchstaufenthaltsdauer eines Aufenthaltstitels soll auf neun Monate ausgedehnt werden. Zudem sollen Beschäftigungen sowie Probebeschäftigungen erlaubt werden.

Wie soll das Punktesystem funktionieren?

Ein neues Punktesystem zur Arbeitssuche wird für Menschen mit ausländischer Berufsausbildung oder Hochschulabschluss eingeführt, inspiriert von einem ähnlichen Modell in Kanada. Es werden zwölf Kriterien wie Qualifikation, Alter und Sprachkenntnisse bewertet, um Punkte zu vergeben. Mit mindestens sechs Punkten erhält man die Chancenkarte für ein Jahr Jobsuche in Deutschland, vorausgesetzt, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Bei einem Arbeitsvertrag für qualifizierte Beschäftigung und Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit kann die Karte um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Die Mindestanforderungen für Deutschkenntnisse wurden auf Level A1 reduziert. Die Einführung ist für die erste Jahreshälfte 2024 geplant.

Was gilt für den Familiennachzug?

Zukünftig soll nicht nur die Kernfamilie von Fachkräften aus dem Ausland nach Deutschland nachgeholt werden können, sondern auch beispielsweise die Eltern sowie Schwiegereltern. Damit sollen mehr Anreize für Fachkräfte geschaffen werden, nach Deutschland zu kommen.

Welche Möglichkeiten haben Asylbewerber?

Asylbewerber mit bereits laufendem Verfahren sollen die Chance erhalten, eine Berufsausbildung zu beginnen oder eine Beschäftigung anzunehmen. Diese „Spurwechsel“-Initiative der Ampel-Parteien ermöglicht es Menschen, die keinen Anspruch auf Asyl haben, dennoch in Deutschland zu bleiben, wenn sie eine Arbeit finden. Anerkannte Geflüchtete dürfen bereits jetzt arbeiten.

Wichtig: Der „Spurwechsel“ gilt nur rückwirkend für Personen, deren Asylverfahren bis zum 29. März 2023 lief. Neue Asylbewerber sollen davon ausgenommen sein, um keine Anreize für irreguläre Migration zu schaffen. Mehr zum Asyl- und Ausländerrecht können Sie in unseren gesonderten Beiträgen zum Thema nachlesen.

Was für Änderungen sind für Aufenthaltsgenehmigungen vorgesehen?

Aktuell erfordert das Aufenthaltsgesetz eine zweckgebundene Einreise nach Deutschland mit einem spezifischen Visum. Dies bedeutet, dass jemand, der mit einem Touristenvisum einreist und später ein Jobangebot erhält, das Land verlassen und ein neues, auf den Arbeitszweck abgestimmtes Visum beantragen muss. Künftig soll das Visum während des Aufenthalts in Deutschland angepasst werden können.

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