STAND 16.08.2022 | LESEZEIT 19 MIN
Betriebliche Veränderungen, Umsatzeinbußen und andere Faktoren können das tägliche Geschäft im Arbeitsalltag verändern. Oft sind betriebsbedingte Kündigungen für einige Arbeitnehmer die Konsequenz. Dafür müssen jedoch spezielle Voraussetzungen gegeben sein, die durch den Gesetzgeber festgelegt wurden. Wann eine solche Kündigung unwirksam ist und was Sie dagegen tun können, steht in diesem Beitrag.
Damit eine betriebsbedingte Kündigung rechtswirksam ist, müssen drei zusammenhängende Kündigungsgründe vorliegen:
1. Dringende betriebliche Erfordernisse
Unter dringlichen, betrieblichen Erfordernissen für die betriebsbedingte Kündigung versteht man unterschiedliche Szenarien, die eine Kündigung rechtfertigen. So kann zum Beispiel eine Umstrukturierung des Unternehmens eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen, ebenso wie das Outsourcen von Arbeitsgebieten an externe Dienstleister oder allgemeine Veränderungen am Anforderungsprofil eines Arbeitsplatzes, die durch den bisherigen Arbeitnehmer nicht erfüllt werden können. Grundsätzlich sind auch notwendige Rationalisierungsmaßnahmen ein Grund für eine betriebsbedingte Kündigung. Oft lassen sich betriebsbedingte Kündigung wegen der betrieblichen Erforderlichkeit nur schlecht nachprüfen, was auch das Vorgehen gegen diese Art der Kündigung recht schwer gestaltet.
2. Fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten
Auch fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers können eine betriebsbedingte Kündigung rechtfertigen. Diese Form der betriebsbedingten Kündigung ist immer dann möglich, wenn keinerlei Möglichkeiten zur Weiterbeschäftigung im Unternehmen vorhanden sind – beispielsweise nach einem vollendeten Projektabschluss. Damit eine betriebsbedingte Kündigung durch eine fehlende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit gerechtfertigt ist, dürfen jedoch keinerlei freie Arbeitsplätze mit vergleichbarem Anforderungsprofil im Unternehmen unbesetzt sein. Auch Arbeitsplätze, die von einem Leiharbeiter besetzt werden, zählen in diesen Fällen als freie Arbeitsplätze und müssen im Falle einer betriebsbedingten Kündigung zunächst mit dem festangestellten Mitarbeiter besetzt werden, sofern dieser über die entsprechende Qualifikation verfügt.
3. Fehlerfreie Sozialauswahl
Bei der betriebsbedingten Kündigung mit fehlerfreier Sozialauswahl kann überprüft werden, ob die Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber sozial gerechtfertigt ist. Dabei spielt die Länge der Betriebszugehörigkeit eine ebenso große Rolle wie die private Lebenssituation des Arbeitnehmers. Eine weitere Möglichkeit ist hier die Vergleichbarkeit unter den vorhandenen Mitarbeitern. Unverzichtbare Leistungsträger können im Falle von betriebsbedingten Kündigungen aus der fehlerfreien Sozialauswahl herausgenommen werden.
Wurden Sie betriebsbedingt gekündigt, können Sie unter den Voraussetzungen nach § 1a KSchG eine Abfindung erhalten. Einen Anspruch haben Sie folglich dann, wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Dafür müssen mindestens 10 Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sein. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollten Sie rechtliche Unterstützung einholen."Christoph Lattreuter
Bei Unsicherheiten zu den rechtmäßigen Kündigungsgründen und der Wirksamkeit Ihrer Kündigung finden Sie Klarheit in der KLUGO Erstberatung. Unsere Partner-Anwälte prüfen Ihrer Kündigung im Quickcheck und geben wertvolle Hinweise zu einer möglichen Abfindung.
Bevor eine betriebsbedingte Kündigung ausgesprochen wird, prüft der Arbeitgeber eingehend, ob diese sozial gerechtfertigt ist. Hier fließen mehrere Faktoren mit ein, die berücksichtigt werden sollten.
1. Vergleichbarkeit
Zunächst einmal ist die Vergleichbarkeit von Relevanz und damit auch der erste Schritt, um eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Als vergleichbar gelten Arbeitnehmer, die aufgrund der eigenen Fähigkeiten und Qualifikationen, dem Arbeitsvertrag und der Stellung im Unternehmen als ähnlich oder gleich gelten. So kann zum Beispiel ein Mitarbeiter nicht mit einer Person in leitender Funktion verglichen werden. Eine Vergleichbarkeit ist also nur dann gegeben, wenn ein Arbeitnehmer nach einer kurzen Phase der Einarbeitung dazu imstande ist, die Aufgaben eines anderen Arbeitsplatzes vollständig einzunehmen. Die Einarbeitungszeit sollte dabei nicht mehr als ein paar Tage betragen.
Ausnahme für vergleichbare Arbeitnehmer stellen all jene Angestellten dar, die aufgrund gesetzlicher, einzelvertraglicher oder tariflicher Bedingungen nicht ordentlich gekündigt werden können. Ähnliches gilt für Arbeitnehmer mit besonderem Kündigungsschutz, beispielsweise während des Mutterschutzes bzw. in der Elternzeit oder bei Vorliegen einer Schwerbehinderung.
2. Punktesystem zur Sozialauswahl
Wenn die vergleichbaren Mitarbeiter ermittelt wurden, findet im nächsten Prozess die Sozialauswahl statt, bei der unterschiedliche Faktoren eine Rolle spielen. Hier wird meist mithilfe eines Punktesystems ermittelt, ob eine betriebliche Kündigung des Arbeitnehmers gerechtfertigt ist.
Die Punkteverteilung ist wie folgt gestaffelt:
So lässt sich nach einer Berechnung die Gesamtpunktzahl für jeden Arbeitnehmer ermitteln. Wer bei dieser Überprüfung die kleinste Punktzahl erreicht, erhält eine betriebsinterne Einstufung als „sozial schwach“ und kann eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Dadurch werden vorwiegend die jüngeren Arbeitnehmer, die weder verheiratet sind noch Kinder haben, entlassen.
In kleineren Betrieben, die zehn oder weniger Mitarbeiter beschäftigen, greift das gängige Kündigungsschutzgesetz nicht. Dennoch haben Arbeitgeber natürlich auch hier nicht das Recht, wahllos Mitarbeiter zu entlassen. Arbeitsverhältnisse in einem Kleinbetrieb können sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer jederzeit wirksam gekündigt werden. Aber auch hier muss eine betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Achtet ein Arbeitgeber bei der betriebsbedingten Kündigung im Kleinbetrieb nicht auf die soziale Rücksichtnahme, gilt die Kündigung als „treuwidrig“ und ist gemäß § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam.
Grundsätzlich ist auch während einer Krankheit möglich, entlassen zu werden. Im Falle einer solchen Kündigung muss geklärt werden, ob das Unternehmen aus betrieblichen Gründen die Kündigung ausspricht oder explizit eine Kündigung wegen der Krankheit vorliegt. Der Arbeitgeber muss im Falle einer betriebsbedingten Kündigung bei vorliegender Krankheit des Arbeitnehmers rechtfertigen können, warum die Kündigung ausgesprochen werden soll.
Arbeitgeber, die eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen möchten, müssen dabei einiges beachten. Es gibt unterschiedliche Faktoren, die eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam machen.
Faktoren, die eine betriebsbedingte Kündigung unwirksam machen können:
In unserem Beitrag zu den gängigsten Formfehlern und Inhaltsfehlern bei Kündigungen erhalten Sie weitere allgemeine Informationen. Sollten Sie den Verdacht haben, dass Ihre betriebsbedingte Kündigung unwirksam ist, lassen Sie Ihre Kündigung im Quickcheck von unseren Partner-Anwälten prüfen.
Im Allgemeinen muss sich ein Arbeitgeber bei einer betriebsbedingten Kündigung an die gesetzlich vorgeschriebenen Kündigungsfristen halten, die in § 622 BGB geregelt sind. Lediglich in einigen Ausnahmefällen, beispielsweise bei einer Kündigung durch den Insolvenzverwalter, gibt es gesonderte Fristsetzungen.
(1) Das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers kann mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Ende eines Kalendermonats vom Arbeitgeber oder Arbeitnehmer gekündigt werden.
Dauer Betriebszugehörigkeit | Kündigungsfrist |
---|---|
2 Jahre | Ein Monat zum Ende des Kalendermonats |
5 Jahre | Zwei Monate zum Ende eines Kalendermonats |
8 Jahre | Drei Monate zum Ende eines Kalendermonats |
10 Jahre | Vier Monate zum Ende des Kalendermonats |
12 Jahre | Fünf Monate zum Ende des Kalendermonats |
15 Jahre | Sechs Monate zum Ende des Kalendermonats |
20 Jahre | Sieben Monate zum Ende des Kalendermonats |
Wer sich zu einem Aufhebungsvertrag statt einer betriebsbedingten Kündigung entscheidet, verzichtet damit auf seinen Anspruch auf Kündigungsschutz. Dies kann durchaus Sinn ergeben, wenn für den Arbeitnehmer bereits ein neuer Job ansteht, Vertragsinhalte und Regelungen (bspw. für die Ausstellung eines qualifizierten Zeugnisses) frei verhandelt werden sollen oder eine hohe Abfindung ausgehandelt werden soll. Auch der Arbeitgeber profitiert unter Umständen von einem Aufhebungsvertrag, da der Betriebsrat dafür nicht angehört werden muss und gesetzliche Kündigungsfristen entfallen.
Die Entscheidung zu einem Aufhebungsvertrag sollte jedoch nie übereilt getroffen werden. Hier gilt es, die Vor- und Nachteile eines Aufhebungsvertrags statt einer betriebsbedingten Kündigung genau unter die Lupe zu nehmen.
Bei einem Aufhebungsvertrag haben Arbeitnehmer jedoch im Anschluss für einige Monate keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, da die Kündigung freiwillig herbeigeführt wurde. Kann der Arbeitnehmer jedoch belegen, dass mit der Einwilligung in den Aufhebungsvertrag eine betriebsbedingte Kündigung abgewehrt wurde, hat er dennoch Anspruch auf Arbeitslosengeld und weitere Unterstützung durch die Agentur für Arbeit. Achten Sie jedoch darauf, dass die Meldung über die drohende Arbeitslosigkeit unverzüglich bzw. spätestens drei Monate vor dem Ausscheiden aus dem Betrieb an die Arbeitsagentur übermittelt wird.
Wenn Sie unsicher sind, welchen Weg Sie gehen möchten, können Sie sich von unseren KLUGO Partner-Anwälten für Arbeitsrecht in unserer Erstberatung wichtige Ratschläge geben lassen.
Bei einer Abfindung handelt es sich um eine Entschädigungszahlung des Arbeitgebers, die einen Arbeitnehmer nach der Kündigung finanziell entlasten soll. Gesetzlich besteht regulär keine Verpflichtung zur Zahlung einer Abfindung. Einige Arbeitgeber bieten ihren Arbeitnehmern im Falle einer Kündigung jedoch Abfindungen an, um einer Kündigungsschutzklage durch den Arbeitnehmer vorzubeugen.
Kündigt der Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse nach § 1a Abs. 1 und erhebt der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der Frist des § 4 Satz 1 keine Klage auf Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst ist, hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung.
Der Anspruch auf eine Abfindung nach einer betriebsbedingten Kündigung besteht jedoch erst mit dem Ablauf der Frist zur Kündigungsschutzklage. Damit Arbeitnehmer bei einer betriebsbedingten Kündigung Anspruch auf eine Abfindung haben, müssen ebenfalls verschiedene Faktoren gegeben sein. Zunächst einmal ist es wichtig, dass das Kündigungsschutzgesetz für das Arbeitsverhältnis greift. Das ist nur dann der Fall, wenn man als Mitarbeiter mehr als 6 Monate im Unternehmen tätig war. Außerdem gilt das Arbeitsschutzgesetz ausschließlich für Betriebe, die 10 oder mehr Mitarbeiter beschäftigen.
Im Schreiben kann jedoch auch darauf hingewiesen werden, dass dieser Anspruch nur dann erfolgt, wenn innerhalb von drei Wochen nach Kündigung keine Klage gegen die Entlassung eingereicht wird.
Unsere Partner-Anwälte und Rechtsexperten prüfen in einem Quickcheck die Wirksamkeit Ihrer betriebsbedingten Kündigung und geben Ihnen wichtige Ratschläge und Rechtssicherheit im Hinblick auf das weitere Vorgehen.
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