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Neues EuGH Urteil zum Diesel Abgasskandal
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Neues EuGH-Urteil zum Diesel Abgasskandal: Diese Chancen haben Sie auf Schadensersatz

STAND 14.04.2023 | LESEZEIT 7 MIN

Der EuGH hat ein Urteil zum Thema Diesel Abgasskandal gefällt: Der Einbau der automatischen Abschaltvorrichtung, auch als Thermofenster bezeichnet, war rechtswidrig. Viele Dieselfahrer haben nun Anspruch auf Schadensersatz.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Urteil des EuGH zum Thema Diesel Abgasskandal macht klar: Betroffene haben ein Recht auf Schadensersatz.
  • Dadurch werden die Verbraucherrechte in der ganzen EU gestärkt.
  • Wer Schadensersatz geltend machen möchte, muss dabei die Verjährungsfristen beachten.
  • Es bleiben viele offene Fragen dazu, wie sich das EuGH-Urteil künftig auf die Rechtsprechung auswirken wird.
  • Der Bundesgerichtshof wird Anfang Mai darüber entscheiden, wie das Urteil des EuGH in Deutschland umgesetzt wird.

Update: Urteil vom Bundesgerichtshof stärkt Käuferrechte

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26.06.2023 die Rechte von Käufern von Dieselfahrzeugen gestärkt und die Chance auf Schadensersatz erhöht. Mit unserem Tool können Sie prüfen, ob Sie Ihre Erfolgschancen prüfen und Ansprüche mithilfe unserer Partner-Anwälte geltend machen.

Weshalb hatten Geschädigte bisher nur bedingt Erfolg vor Gericht?

Im guten Glauben daran, ein umweltfreundliches Kraftfahrzeug zu erwerben, entschlossen sich bis ins Jahr 2014 viele Menschen zum Kauf eines Mercedes Diesel C 220 CDI mit Schadstoffklasse Euro 5. Ernüchterung trat ein, als im Zuge des Diesel-Abgasskandals herauskam: Mercedes hat in diesem Fahrzeugtyp eine automatische Abschalteinrichtung verbaut, die die Abgasfilterung massiv herunterschraubt, sobald das Fahrzeug kühleren Außentemperaturen ausgesetzt ist. Damit waren die Voraussetzungen für die Schadstoffklasse Euro 5 nicht länger gegeben. Viele Menschen entschlossen sich dazu, Klage gegen Mercedes einzureichen – doch bisher standen die Chancen eher schlecht.

Grund für die geringe Erfolgsaussicht einer Schadensersatzklage gegen Mercedes waren gleich drei verschiedene Faktoren: Die Hersteller brachten das Argument vor, die reduzierte Abgasrückführung entspräche den allgemeinen Standards der Industrie. Niedrige Temperaturen könnten zu Ablagerungen an den Bauteilen führen, die durch das eingebaute Thermofenster vermieden werden könnten – zum Schutz des Motors. Da das EU-Recht für Abgaskontrollsysteme einige Ausnahmeregelungen vorsieht, falle auch dieser Schutzmechanismus darunter, so die Hersteller.

Ein weiteres Problem stellt eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs dar, der im Verfahren rund um den Dieselskandal bereits entschieden hatte, dass für Schadensersatzforderungen eine sittenwidrige, gewollte oder bewusste Täuschung vorliegen muss – diese sei seitens der Hersteller nicht in allen Fällen erkennbar. Ferner wurde das Argument ins Spiel gebracht, dass das Europarecht auf allgemeine Schutzwirkung für Klima, Umwelt und Gesundheit ausgelegt sei und damit keinen Spielraum biete, um individuelle Ansprüche für die Verbraucher zu rechtfertigen.

Weshalb bringt das neue EuGH-Urteil bessere Chancen für Schadensersatzklagen?

Diese drei Argumente wurden durch den EuGH jedoch nun entkräftet. Die Richter nutzten als Grundlage für ihre Entscheidung jene Verordnung, die für die Wirkung von Emissionskontrollsystemen aufgesetzt wurde. Zwar legen hier gewisse Ausnahmeregelungen fest, dass durchaus eine Drosselung stattfinden darf, um den Motor vor Beschädigung zu schützen. Und dabei auch die Sicherheit des Fahrzeuges gewährleisten – aber eine Funktion, die den Motor nur vor Verschleiß schützt, falle nicht unter diese Ausnahmeregelung. Laut EuGH müssen niedrige Temperaturen über null durchaus noch zu den normalen Bedingungen eines Kraftfahrzeuges zählen, sodass die automatische Abschaltvorrichtung hier nicht greifen darf.

Ferner stellte der EuGH fest, dass der Sinn eines Schriftstücks mit allen Angaben zu Emission und Verbrauch des Fahrzeugs klar darin liegt, Verbraucher schon vor Kauf eines Fahrzeuges darüber zu informieren, wie hoch die Umweltbelastung durch das Fahrzeug ausfällt. Überreichen Händler dem Kaufinteressenten ein solches Schriftstück, so muss dieser sich sicher sein können, damit das Fahrzeug anmelden, in Betrieb nehmen und verkaufen zu können – und zwar auf Grundlage stimmiger und zuverlässiger Daten, überall im europäischen Binnenmarkt. Eine unzulässige Abschaltvorrichtung kann also beim Käufer des Fahrzeuges zu einem konkreten Schaden führen, da der Verbrauch steigt und der Wiederverkaufswert sinkt. Dementsprechend haben Verbraucher einen Anspruch darauf, dass eine solche Technik nicht im Kraftfahrzeug eingebaut wird.

Ebenfalls wurde die ursprüngliche Auffassung des BGH, es brauche eine sittenwidrige, gewollte oder bewusste Täuschung des Käufers revidiert und entschied, dass hier bereits Fahrlässigkeit ausreiche. Das heißt, Hersteller werden nicht erst nach § 826 BGB, sondern bereits aufgrund einfacher Fahrlässigkeit nach § 823 II BGB haften. In diesem Zusammenhang wird zudem auch die Vorteilsausgleichung einzuschränken sein, insbesondere darf die Anrechnung der Nutzungen wohl nicht dazu führen, dass der Kaufpreisschaden vollständig aufgezehrt wird.

Wie finde ich heraus, ob ich vom Diesel Abgasskandal betroffen bin?

Eine große Anzahl an Fahrzeugen ist von dem Diesel Abgasskandal betroffen. Besonders gilt das für alle Fahrzeuge der VW-Konzernmarken – also Audi, Skoda, Seat und VW. Die illegale Softwaremanipulation wurde bei allen Kraftfahrzeugen mit 1,2 l und 1,6 l sowie 2,0-I-TDI Diesel-Motoren der Baureihe „EA189“ festgestellt, die nach der Abgasnorm Euro 5 zugelassen wurden.

Inzwischen bieten die Hersteller selbst die Möglichkeit an, anhand der Fahrgestellnummer oder Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN) zu überprüfen, ob Ihr Kraftfahrzeug betroffen ist:

Beim Daimler-Konzern, zu dem auch Mercedes gehört, sind Fahrzeuge mit dem Diesel Motortyp OM651 betroffen. Hier sind folgende Fahrzeug-Modelle vom Thermofenster betroffen:

  • GLC 220d 4 Matic
  • GLC 250d 4 Matic
  • GLK 200 CDI
  • GLK 220 CDI
  • GLK 220 CDI 4Matic
  • GLK 220 BlueTec
  • GLK 250 BlueTec

Wie gehe ich vor, wenn ich vom Diesel Abgasskandal betroffen bin?

Ansprüche gegen Händler und Hersteller können nur dann geltend gemacht werden, wenn sie noch nicht über die sogenannte Verjährungsfrist hinausgehen. Sobald diese abgelaufen ist, können Sie keine Entschädigungszahlung mehr geltend machen – auch dann nicht, wenn Sie vom Diesel Abgasskandal betroffen sind.

Die Verjährungsfrist gegenüber dem Autohändler liegt bei einem Neuwagen bei zwei Jahren, beginnend an dem Tag der Übergabe des Kraftfahrzeuges. Bei Gebrauchtwagen liegt die Sachmängelhaftungsfrist sogar nur bei einem Jahr. Gegenüber dem Hersteller liegt die Verjährungsfrist bei drei Jahren. Diese Frist beginnt mit dem Tag, an dem Geschädigte darüber Kenntnis erlangt haben, vom Abgasskandal betroffen zu sein. Wer ein betroffenes Fahrzeug von einer Privatperson gekauft hat, hat in der Regel keinen Anspruch auf Sachmängelhaftung. Hier kann lediglich der Hersteller belangt werden.

Wichtig: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Ansprüche für Autos von VW, Audi, Seat und Skoda mit dem Motortyp EA189 bereits verjährt sind, sofern nicht schon Klage eingereicht wurde (Az.: VI ZR 739/20, 17.12.2022).

1. Prüfen, ob noch Anspruch besteht

Prüfen Sie im ersten Schritt, ob bei Ihrem Kraftfahrzeug noch ein Anspruch auf Sachmängelhaftung besteht. Ist dies der Fall, wenden Sie sich umgehend an den Händler, bei dem Sie das Kraftfahrzeug erworben haben. Holen Sie sich hier die schriftliche Zusage ein, dass dieser bereit ist, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.

2. Abwägen, ob sich eine Klage lohnt

Die gefahrenen Kilometer eines Kraftfahrzeuges werden gegen mögliche Schadensersatzforderungen gerechnet. Ob sich eine Klage noch lohnt, wenn grundsätzlich ein Anspruch besteht, sollte daher zunächst ermittelt werden, wie hoch die Nutzungsentschädigung ausfallen könnte. Dabei kommt es auch auf die zu erwartende Gesamtlaufleistung des Kraftfahrzeuges an. Eine genaue Berechnung des möglichen Schadensersatzes sollten Sie daher mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht durchführen.

3. Schadensersatzklage

Derzeit liegen mehrere Tausend Klagen auf Schadensersatz im Rahmen des Diesel-Abgasskandals vor. Ist Ihr Anspruch noch nicht verjährt, können auch Sie gemeinsam mit einem Fachanwalt für Verkehrsrecht Klage gegen den Hersteller einreichen.

Wann wird der BGH entscheiden und welche Prognosen gibt es?

Nach dem rechtsweisenden Urteil des Europäischen Gerichtshof ist es nun die Aufgabe des BGH, erneut über den Diesel Abgasskandal zu urteilen und damit auch anderen Gerichten die Möglichkeit einzuräumen, eine fundierte Entscheidung in diesem Bereich zu fällen. Über die derzeit offenen Schadensersatzklagen wurde aufgrund der ausstehenden Entscheidung des EuGH noch nicht entschieden. Jetzt plant der BGH eine erneute Verhandlung, die Anfang Mai stattfinden soll. Dieser Prozesstermin soll die Grundsätze des EuGH-Urteils mit dem deutschen Recht in Einklang bringen und so die Grundlagen schaffen, um Ansprüche auch in unteren Instanzen abzuwickeln. Es bleibt daher abzuwarten, wie die EuGH Entscheidung in Deutschland konkret umgesetzt wird.

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